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Gebremster Wandel in Kolumbien
Bei den Regional- und Kommunalwahlen in Kolumbien gewinnen etablierte Parteien
Trotz der Präsidentschaft des linken Politikers Gustavo Petro, der seit August des vergangenen Jahres im Amt ist, haben die Regional- und Kommunalwahlen im Vergleich zu denen 2019 kaum Veränderungen gebracht.
Insgesamt waren am Sonntag in Kolumbien etwa 39 Millionen Wählerinnen und Wähler aufgerufen, über die Besetzung von mehr als 20 000 politischen Ämtern zu entscheiden. Neben 32 Gouverneuren wurden Stadt- und Gemeinderäte sowie mehr als 1000 Bürgermeister neu gewählt.
Lediglich in zwei der 32 Verwaltungsgebiete errangen Kandidaten, die Petros politischer Bewegung Pacto Histórico (Historischer Pakt) angehören, das Amt des Gouverneurs: In den Departamentos Amazonas und Nariño werden mit Óscar Entique Sánchez und Luis Alfonso Escobar von 2024 bis 2028 Linke an der Regierung sein. Und in den Regionen Cauca und Magdalena gewannen Politiker, die als regierungsfreundlich gelten.
In keiner der Großstädte schafften es Linke an die Spitze: In Medellin, der zweitgrößten Stadt des Landes, eroberte der rechte Kandidat Federico Andrés Gutiérrez alias »Fico« mit über 70 Prozent der Stimmen das Amt des Bürgermeisters zurück. In der eigentlich als progressiv geltenden Hauptstadt konnte sich Präsident Petros Parteikollege Gustavo Bolivar nicht gegen den Konservativen Carlos Fernando Galán durchsetzen.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Bogotá wird künftig von einem Bürgermeister regiert, der während seiner Laufbahn als Politiker und Journalist immer mit den traditionellen Parteien verflochten war. Bis 2018 gehörte Galán der rechten Partei »Cambio Radical« (Radikaler Wandel) an, nun trat er für Nuevo Liberalismo (Neuer Liberalismus) an. Bei der Bürgermeisterwahl 2011 hatte Galán gegen den heutigen Regierungschef Petro verloren. In diesem Wahlkampf versprach er vor allem mehr Sicherheit auf den Straßen. Weitere wichtige Städte wie Barranquilla und Bucaramanga werden künftig von der Opposition regiert.
Der Ausgang der Regionalwahlen ist für Kolumbiens ersten linken Präsidenten, der einen »historischen Wandel« angekündigt hat, ein Denkzettel. Petro gelang es bisher nicht, das von jahrzehntelangen blutigen Konflikten gebeutelte Land umzuwälzen und den langersehnten Frieden herbeizuführen. Meldungen von Morden, Vertreibungen und Drohungen erreichen die Bevölkerung täglich. Neben der prekären Sicherheitslage spielten die Armutsbekämpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen eine zentrale Rolle im Wahlkampf.
Nur in einer der 32 Departamento-Hauptstädte wurde eine Frau in das Bürgermeisteramt gewählt. Sechs Departamentos werden künftig von Politikerinnen der traditionellen Parteien regiert. In einer der größten Gemeinden des Landes, Cumaribo im Departamento Vichada, wird mit Armel Caracas ein ehemaliger Angehöriger der Farc-Guerilla neuer Bürgermeister.
Caracas war einer der Unterzeichner des Friedensabkommens von 2016 zwischen der Regierung und der Guerilla. Insgesamt bewarben sich bei den diesjährigen Wahlen 144 ehemalige Rebellen um ein politisches Amt. Außer Caracas ohne großen Erfolg. Seit Abschluss des Friedensvertrages vor sieben Jahren wurden mehr als 400 Ex-Guerilleros Opfer politischer Morde, im laufenden Jahr waren es bereits 37. Zu den Opfern gehörte Jaime Luis Díaz, der für den Stadtrat seiner Heimatstadt Chalan im Departamento Sucre kandidierte und von Unbekannten erschossen wurde. Noch am Morgen des Wahltages ermordeten Bewaffnete im Dorf El Diamante in Tolima den demobilisierten Farc-Kämpfer Cenober Aguiar Mayor.
Erstmals konnten auch Angehörige des indigenen Volkes der Embera im Nordosten des Landes in ihrem Territorium wählen. Den Embera war es bei vorangegangenen Wahlen nicht möglich, ihre Stimme abzugeben, da die Wahllokale teilweise hunderte Kilometer entfernt lagen oder die Wege dorthin von paramilitärischen Gruppen versperrt wurden. Landesweit gab es mehrere tausend indigene Kandidaten, die sich für eine Wahl als Gouverneur, Bürgermeister und für die regionalen Parlamente bewarben. Besonders die indigenen Parteien MAIS und AICO waren in vielen Gemeinden mit Kandidaten vertreten.
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