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Berliner Kiezpraxis in Kreuzberg vor dem Aus

Der Mietvertrag einer vor allem für Suchttherapie bekannten Praxis in Kreuzberg wird nicht verlängert

Das Team der Gemeinschaftspraxis
Das Team der Gemeinschaftspraxis

Kiezinstitution in Gefahr: Schon zum Jahresende könnte die Gemeinschaftspraxis in der Köpenicker Straße 1 in Kreuzberg schließen. Nach 40 Jahren wurde der Mietvertrag der Arztpraxis nicht mehr vom Vermieter verlängert. Das teilt die Praxis in einer Pressemitteilung mit. Gesprächsgesuche an die Vermietergesellschaft seien ignoriert worden, heißt es dort. Auch Kontaktversuche durch Bezirks- und Landespolitiker an die Vermieter blieben bislang unbeantwortet.

In der Praxis werden jährlich mehr als 5000 Menschen behandelt. »Unsere Patient*innen sind alteingesessene und neue Kreuzberger*innen, Expats aus aller Welt, Menschen der schwulen, lesbischen und queeren Communities, Menschen ohne Papiere, Tourist*innen, Partypeople und viele mehr«, sagt der Allgemeinmediziner Volker Westerbarkey, der in der Praxis arbeitet. Ein Schwerpunkt liegt bei der Arbeit mit Süchtigen. Als »suchtmedizinische Schwerpunktpraxis« versorgt die Praxis Suchtkranke, auch zwei psychosoziale Betreuer arbeiten hier.

Etwa 130 Patienten befinden sich alleine in der Substitutionstherapie. Dabei wird der Konsum von Heroin durch das weit weniger schädliche Methadon oder ein anderes Opioid ersetzt. Auch Menschen, die von Kokain oder Alkohol abhängig sind, werden in der Praxis therapiert.

Für den Kiez spielt die Praxis damit eine wichtige Rolle – vor allem, seit der Drogenkonsum rund um den Görlitzer Park explodiert. Abhängige können nicht nur im Park, sondern auch in Hinterhöfen und Hauseingängen beim Konsum beobachtet werden. »Wir stehen in der ersten Reihe im Kampf gegen die Auswirkungen der Drogenkrise, die gerade weit über die Grenzen Berlins hinaus unter dem Schlagwort Görlitzer Park Schlagzeilen macht«, sagt die Ärztin Stella Begrich. Dabei habe die Politik versprochen, die Versorgungsstruktur für Süchtige zu verbessern. »Kreuzberg braucht mehr Angebote und soziale Hilfen statt gieriger Investoren, denen die medizinische Versorgung der Kreuzbergerinnen und Kreuzberger völlig egal zu sein scheint«, so Begrich.

Aber auch um viele andere Gruppen im Kiez kümmert sich die Praxis: Älteren und beeinträchtigten Patienten werden Hausbesuche abgestattet. Patienten, die etwa wegen eines ungesicherten Aufenthaltsstatus nicht krankenversichert sind, werden trotzdem in der Praxis versorgt. Dafür kooperiert die Praxis mit dem Büro für medizinische Flüchtlingshilfe. Zudem übernimmt die Praxis Aufgaben in der Ärzteausbildung.

All diese Leistungen sind nun in Gefahr: Schon seit Längerem hat die Praxis einen Gewerbemietvertrag, der alle zehn Jahre erneuert werden muss. Bereits vor zwei Jahren hätte sich die Praxis um eine erneute Verlängerung bemüht, berichtet Allgemeinmediziner Volker Westerbarkey gegenüber »nd«. Ohne Erfolg: E-Mails an den Vermieter blieben unbeantwortet.

Im August erhielten die Ärzte die Ankündigung, dass der Mietvertrag nicht weiter verlängert werden soll. Der Blick auf den Briefkopf offenbarte weitere Überraschungen: Die Berliner Vermietergesellschaft war inzwischen nach Luxemburg umgesiedelt. Nachforschungen des Ärzteteams ergaben, dass auch die Besitzer zwischenzeitlich gewechselt hatten: Die Vermietergesellschaft gehörte nun zwei luxemburgischen Gesellschaften. Auch die Geschäftsführung wurde ausgetauscht. Erreichbar ist die neue Geschäftsführung aber ebenso wenig wie die alte.

»Vielleicht ist das ja legal, mit Anstand hat es nichts zu tun«, sagt Westerbarkey. Am 22. November soll es jetzt eine kleine Demonstration vor der Praxis geben. »Wir wollen bleiben« sei die Hauptforderung, sagt Westerbarkey. »Wir hoffen natürlich, dass der Vermieter noch einlenkt.« Neue Räumlichkeiten seien bei der aktuellen Situation auf dem Mietmarkt schwer zu finden. Die Räume, die theoretisch angemietet werden könnten, seien häufig unbezahlbar. »Wir haben keinen Ort, wo wir hinkönnen«, so Westerbarkey.

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