Joan Jara: Für Víctor, gegen Pinochet

Joan Jara, Menschenrechtsaktivistin und Ehefrau von Víctor Jara, ist in Santiago verstorben

  • Volker Külow
  • Lesedauer: 3 Min.
Joan Jara mit ihren Töchtern Amanda und Manuela
Joan Jara mit ihren Töchtern Amanda und Manuela

Die britische Tänzerin, Choreografin und Menschenrechtsaktivistin Joan Jara, Witwe des chilenischen Volkssängers Víctor Jara, ist am vergangenen Sonntag in Santiago de Chile im Alter von 96 Jahren gestorben – zwei Wochen, bevor der Mörder ihres Mannes von den USA nach Chile ausgeliefert werden soll. Joan galt weltweit als Symbolfigur des Widerstands gegen Diktator Augusto Pinochet. Unermüdlich hat sie sich für die schonungslose Aufklärung des Mordes an ihrem Mann eingesetzt, der nach dem Staatsstreich am 16. September 1973 brutal gefoltert und getötet worden war. 2016 trat sie als Zeugin im Zivilprozess gegen den ehemaligen chilenischen Armeeoffizier Pedro Barrientos auf, dem die Verantwortung für den Tod von Víctor Jara nachgewiesen werden konnte, woraufhin dieser schließlich auch verurteilt wurde.

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Chiles Präsident Gabriel Boric würdigte Joan Jara am Montag als »eine Frau, die ein halbes Jahrhundert für Gerechtigkeit gekämpft hat und uns ein unvergängliches Vermächtnis in der Kunst und der Verteidigung der Menschenrechte hinterlässt«. Die Regierungssprecherin Camila Vallejo ergänzte: »Ihr Kampf und ihr Widerstand für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung werden uns immer in Erinnerung bleiben.«

Joan Alison Turner wurde am 20. Juli 1927 in London geboren und zog Mitte der 1950er Jahre nach Chile, um als Solistin des chilenischen Nationalballetts aufzutreten. Später unterrichtete sie Tanz an der Universität von Chile. Seit 1953 war sie mit dem Choreografen Patricio Bunster verheiratet, die gemeinsame Tochter Manuela wurde 1960 geboren. Im gleichen Jahr lernte sie Víctor Jara kennen; sie verliebten sich ineinander und heirateten schließlich. 1964 kam Tochter Amanda zur Welt.

Nach der Ermordung ihres Mannes ging Joan Jara mit ihren beiden Töchtern ins Exil nach Großbritannien. Das Reisegepäck enthielt keine Spielsachen, sondern die geschmuggelten Tonbänder von Víctor. In ihrem Buch »Das letzte Lied. Das Leben des Víctor Jara« (2000) schreibt sie über den Tag der Flucht, den 15. Oktober 1973: »Ich wußte, dass ein Teil von mir gestorben war, zusammen mit dem Mann, dessen Körper jetzt in einem Sarg in einer Betonnische hoch oben in der hintersten Mauerzeile des Zentralfriedhofs von Santiago lag.« Die Verantwortung für ein behütetes Aufwachsen der Mädchen Manuela und Amanda gaben ihr aber ebenso Kraft zum Weiterleben wie die vielen Aktivitäten, um das musikalische Erbe ihres Mannes zu retten und in aller Welt bekannt zu machen. 1974 war sie mit den Töchtern auch zu Gast beim Festival des Politischen Liedes in der DDR.

Mitte der 80er Jahre kehrte sie nach Chile zurück und gründete nach dem Ende der Diktatur die Fundación Víctor Jara, die inzwischen von Amanda Jara geleitet wird. Für ihre engagierte Menschenrechtsarbeit und ihre prägende Rolle beim Wiederaufbau der chilenischen Demokratie erhielt Joan 2009 von der Regierung unter Michelle Bachelet die chilenische Staatsbürgerschaft, 2021 wurde sie mit dem nationalen Kunstpreis Chiles ausgezeichnet. Bis zum Schluss verfolgte sie – inzwischen an den Rollstuhl gefesselt – aufmerksam das politische Geschehen in ihrem Heimatland. Tochter Amanda sprach auf ihrer Reise durch die Bundesrepublik im September dieses Jahres sehr liebevoll von ihrer Mutter und würdigte ihre Lebensleistung.

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