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Linke-Parteitag in Augsburg: Wünsch dir was!
In Augsburg stimmt Die Linke über Programm und Kandidaten zur Europawahl ab
Eines wird auf diesem Europaparteitag der Linken sein wie immer: Die Delegierten werden sich über dicke Dokumente beugen und über zahlreiche Anträge abstimmen. Wie immer versuchen zahlreiche Genossinnen und Genossen, dem aktuellen programmatischen Papier, in diesem Fall dem zur Wahl zum EU-Parlament am 9. Juni 2024, mehr Stringenz und Präzision oder eine andere Richtung in einzelnen Fragen zu geben.
Vieles wird dieses Delegiertentreffen in Bertolt Brechts Geburtsstadt aber von durchschnittlichen Vorgängerveranstaltungen unterscheiden. Denn nach der Abspaltung eines Teils der Partei um Sahra Wagenknecht ist die Krise der Linken keineswegs überwunden. Viele Genossinnen und Genossen fordern auch eine Diskussion über eigenes Versagen.
Vergleichbar ist die Lage daher in gewisser Weise mit dem PDS-Parteitag in Gera im Oktober 2002. Damals war die Linke-Vorgängerorganisation mit einem Ergebnis von nur vier Prozent der Wählerstimmen aus dem Bundestag geflogen. Der Unterschied zu damals: Zurzeit hat Die Linke gerade eine Spaltung hinter sich, seinerzeit schwebte das Damoklesschwert des Auseinanderdriftens der Flügel über ihr.
Und während es damals in Gera ein Hauen und Stechen und gegenseitige Schuldzuweisungen für die Wahlniederlage gab, werden die Delegierten in Augsburg um Harmonie und Zusammenhalt bemüht sein. Ihnen ist bewusst, dass die Partei nur durch Konzentration auf das Gemeinsame eine Chance hat.
Ein paar personelle Kontinuitäten gibt es: Dietmar Bartsch war 2002 wie auch 2021 Wahlkampfleiter. 2021 schaffte Die Linke den Wiedereinzug in den Bundestag gerade so. Seit 2015 ist Bartsch Ko-Vorsitzender, seit Ende Oktober alleiniger Chef der Linksfraktion, die er nun dank des Austritts von zehn Abgeordneten aus der Partei bis zum 6. Dezember auflösen muss.
Für Konflikte könnten in Augsburg die auch innerhalb der Linken widerstreitenden Positionen zum Krieg in Gaza, zur Solidarität mit Israel nach den Hamas-Massakern des 7. Oktober einerseits und zu den von Bombardements, dem Abschneiden von humanitärer Versorgung und Vertreibung betroffenen Palästinensern andererseits. Voraussichtlich wird es zum Thema einen Entschließungsantrag an den Parteitag geben.
Dennoch wird angesichts des schieren Umfangs die Konzentration der Delegierten auf das 85-seitige Wahlprogramm nötig sein, dessen Entwurf die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan bereits Mitte September vorgestellt hatten. Darin, das betonte Wissler am Montag in Berlin, trete man für ein »soziales, demokratisches und friedliches Europa« ein. Zugleich äußerte sie die Hoffnung, dass vom Parteitag »Signale der Erneuerung ausgehen, dass die Linke die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner wieder in den Mittelpunkt stellt«.
Die Abstimmung im Juni bezeichnete Wissler als »Schicksalswahl für die EU«. Es gehe um die Frage: »Rutscht Europa weiter nach rechts oder schaffen wir eine Kehrtwende in Richtung eines Europas der Solidarität, für Abrüstung und Zusammenhalt, für Frieden?« Die Linke stelle sich gegen den »Wettbewerb der Schäbigkeiten, wer die härtesten Forderungen zur Abschottung aufstellt«. Nur sie verbinde den »klimaneutralen Umbau der Gesellschaften« mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit.
Weiter, so Wissler, und so ist es auch im Programmentwurf zu lesen, wolle ihre Partei »nicht darüber diskutieren, wie die EU kriegstauglich, sondern wie sie friedenstauglich wird«. Was die konkrete Ausgestaltung des außen- und sicherheitspolitischen Profils der Partei betrifft, gibt es bekanntlich nach wie vor sehr unterschiedliche Vorstellungen. Mancher prominente Politiker befürwortete Waffenlieferungen an die Ukraine oder auch an Israel.
Ko-Parteichef Schirdewan wiederum steht auch auf Platz eins der vom Bundesausschuss der Linken bestätigten Kandidatenliste zur Europawahl. Bereits seit 2017 ist er Mitglied des Brüsseler Parlaments und seit 2019 Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im Europäischen Parlament. Er zog Ende 2017 übrigens als Nachrücker von Fabio De Masi ins Brüsseler Parlament ein, der damals in den Bundestag gewählt worden war. Der profilierte Banken- und Finanzexperte De Masi ist ein langjähriger Vertrauter Sahra Wagenknechts und trat bereits im September aus der Linken aus. Ob er in Wagenknechts neuer Partei eine Rolle spielen wird, ist bislang offen.
Schirdewan hat zum Parteitag ein eigenes Positionspapier verfasst. Darin hat er sieben Kernpunkte linker Politik aufgelistet. Unter anderem fordert er eine »historische Investitionsoffensive« der EU für Klimaschutz und gute Arbeit, eine Mindeststeuer von 25 Prozent für multinationale Unternehmen, die konsequente Bekämpfung von Steuerflucht und -hinterziehung, Initiativen für bezahlbares Wohnen.
Schirdewans Thema ist erkennbar die Wirtschafts- und Steuerpolitik. Noch nie, schreibt er, habe es »so viel Reichtum gegeben, die Vermögen und Gewinne von Reichen und Konzernen gehen durch die Decke«. Die Politik der EU-Staaten zugunsten der Konzerne und der Superreichen sorge zugleich für berechtigten Unmut: »Keine ›Trollfabrik‹ hat so viel zur Destabilisierung von Demokratie und Zusammenhalt in Europa beigetragen wie die jahrelange Kürzungspolitik.« Die Linke stehe für einen Politikwechsel, der »in ernst zu nehmendem Maßstab Reichtum von den Wenigen zur Allgemeinheit umverteilt und die als ›Schuldenbremse‹ verharmloste Zukunftsbremse löst.« Das lege ein Fundament für eine »demokratische und soziale EU, die sich strategisch unabhängig von der Blockkonfrontation und gefährlichem Rüstungswettlauf macht und weltweit für Deeskalation, Sicherheit und Entwicklung eintritt«.
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