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Weihnachtsbäckerei - Oh, es riecht gut
Besondere Zutaten der Weihnachtsbäckerei: Hirschhornsalz und Pottasche
Sobald das Gros der Ernte vom Feld und aus dem Garten eingebracht ist, wird traditionell mit dem Backen von lange haltbaren Lebkuchen, Makronen, Spekulatius und Stollen begonnen. Lebkuchen, auch Honig- oder Pfefferkuchen genannt, verkörpern dabei das typischste Gebäck für die Vorweihnachtszeit. Ursprünglich diente das auch als Magenbrot bezeichnete Dauergebäck der einfachen, fleischlosen Ernährung während der gesamten Fastenzeit zwischen dem 11. November und Ostern. Der Teig für Pfefferkuchen wird nicht mit Backpulver, sondern mit den besonderen Backtriebmitteln Pottasche und Hirschhornsalz zubereitet.
Pottasche mit der chemischen Bezeichnung Kaliumcarbonat erhielt ihren Namen, weil sie im Mittelalter durch Kochen und Eindampfen von Buchenholzasche in Pötten (Töpfen) hergestellt wurde. Ursprünglich wurde die kaliumhaltige Substanz als Bleichmittel beim Wäschewaschen, zum Seifensieden, bei der Glasverarbeitung und beim Löten verwendet. Recht bald entdeckte man, dass sie einen schweren, ungesäuerten Roggenteig lockern und in die Breite treiben kann. In der Zutatenliste von fertigen Lebkuchen wird die Pottasche heutzutage als Zusatzstoff E501 vermerkt.
Hirschhornsalz wurde im frühen Mittelalter aus fein zerkleinertem Hirschgeweih gewonnen, wenngleich es in den historischen Überlieferungen verschiedene Auffassungen gibt. Zeitweilig wurde es auch aus Klauen, Leder und Horn verschiedenster Tierarten mittels trockener Erhitzung produziert. Zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert diente es nicht nur als Backtriebmittel, sondern auch als (parfümiertes) Riechsalz, wenn Frauen durch ein zu eng geschnürtes Mieder dazu neigten, in Ohnmacht zu fallen. Heutzutage wird dieses Backtriebmittel mittels chemischer Verfahren hergestellt. Somit ist diese Zutat für Veganer in Ordnung, wobei daran erinnert sei, dass auch bei den chemischen Herstellungswegen Wärmeenergie verbraucht wird. Eine Erläuterung zum Hirschgehörn sei deshalb ergänzt: Zum Ethos eines Jägers gehörte es, alle Teile des Tieres, das getötet wurde, vollständig zu verwerten und zu nutzen. Das ist nicht mehr vergleichbar mit dem heutigen Konsum, bei dem nur noch das Filet verspeist wird.
Hirschhornsalz wird als Zusatzstoff E503 in der Zutatenliste von Lebkuchen angegeben, es besteht aus Ammoniumcarbonat und Ammoniumhydrogencarbonat. Wird dieses stickstoffhaltige, streng riechende Salz zum Backen benutzt, muss der angerührte Teig mindestens zwei Tage bei kühlen Temperaturen ablagern, damit sich der Geruch etwas verflüchtigt. Beim Backen zerfällt Hirschhornsalz in Kohlendioxid, das den Teig lockert, sowie in Ammoniak und Wasser. In flachem Lebkuchengebäck wird freigesetztes Ammoniak vollständig abgetrieben. Das Backtriebmittel Hirschhornsalz wird auch für Spekulatius und flache Mürbeteigkekse verwendet. Für hohe Kuchenformen über drei Zentimeter ist es nicht geeignet.
Für klassische Pfefferkuchen werden meist beide Backtriebmittel kombiniert. Dabei ist zu beachten, dass sie vorher getrennt in wenig kühlem Wasser aufzulösen sind. Typische Zutaten sind weiterhin Honig, Roggenmehl, Nüsse und Gewürze, die bis ins Mittelalter schlechthin als Pfeffer zusammengefasst wurden.
Die beiden Backtriebmittel Pottasche und Hirschhornsalz, auch Lockerungsmittel genannt, zeichnen sich im Vergleich zu Backpulver (Natriumcarbonat) durch das Fehlen saurer Bestandteile aus. Üblicherweise wird dem Biobackpulver, das nicht nur in Bioläden, sondern seit einigen Jahren auch in Drogerien erhältlich ist, ein Salz der Weinsteinsäure zugesetzt. Dabei handelt es sich um Kaliumwasserstofftartrat, das in dem im Jahr 1914 erstmalig aufgelegten Kochbuch von Hedwig Kost als Kremortartari beschrieben wird.
Das konventionelle Backpulver für helle Kekse und Buttergebäck enthält als Säuerungsmittel oftmals noch Phosphate, die für besonders empfindliche (vulnerable) Menschen wie Kleinkinder und Frauen nach der Menopause nicht empfohlen werden können. Diese Zusatzstoffe, unter den Abkürzungen E338, E339, E340, E341 und E343 als zugesetztes Phosphat in der Zutatenliste gekennzeichnet, können die Kalziumverwertung beeinträchtigen und stellen ein Risiko für die Knochengesundheit dar. Einige Hersteller, wie zum Beispiel die Pulsnitzer Pfefferkuchenfabrik in der Oberlausitz, haben inzwischen auf das unbedenkliche Kaliumcitrat beziehungsweise auf Zitronensäure als Säuerungsmittel beispielsweise für Elisenlebkuchen umgestellt. Es lohnt sich demnach, eine Brille oder eine Lupe in den Supermarkt mitzunehmen.
Um bestimmte Inhalts- oder Zusatzstoffe zu vermeiden, bietet es sich selbstverständlich an, die weihnachtlichen Pfefferkuchen selbst zu backen. Auch der Süßungsgrad lässt sich so selbst bestimmen.
Ein Nachteil beim Backen mit Hirschhornsalz besteht darin, dass die Entstehung von Acrylamid begünstigt ist. Acrylamid ist eine Substanz, die zu den genotoxischen Stoffen zählt und das Erbgut, die DNA, verändern kann. Auf diese Weise kommt es zu einem erhöhten Risiko für Krebs. Eine Verringerung der Backtemperatur um zehn bis 20 Grad kann hier Abhilfe schaffen. Möglich ist es auch, die Backtemperatur während der ersten fünf Minuten auf gute Mittelhitze (Gasherd Stufe 4, Elektroherd 180 Grad) zu schalten und danach zu drosseln auf Stufe 3 beziehungsweise 170 Grad Celsius im Elektroherd. Bereits seit 2002 wurde daher die Devise für Backwaren, Bratkartoffeln, Chips und Pommes frites geprägt: »Lieber vergolden statt bräunen beziehungsweise nur hellbraun backen statt anbrennen lassen!«
80 Gramm Butter mit 200 Gramm Honig im warmen Wasserbad schmelzen lassen, 15 Gramm gemahlenes Pfefferkuchengewürz (Zimt, Nelken, Kardamom, Muskat, Pfeffer) einrühren, 60 Gramm Kakao hinzufügen, eine Prise Salz, 500 Gramm Mehl und ein Ei unterkneten. Je 5 Gramm Hirschhornsalz und Pottasche getrennt in je 1/8 Liter kaltem Wasser auflösen, unter den Teig kneten, mit 100 Gramm gehackten Mandeln und 50 Gramm Zitronat verfeinern. Den Teig abgedeckt für zwei Tage gekühlt lagern, ausrollen, Formen ausstechen, bei schwacher Mittelhitze zehn bis zwölf Minuten backen, mit Schokoladen-Kuvertüre und halbierten Mandeln verzieren. anu
Als Heilmittel für einen übersäuerten Magen haben Leb- und Pfefferkuchen heutzutage kaum noch Bedeutung. So liefert die Backzutat Pottasche nur rund 200 Milligramm basenbildendes Kalium pro 100 Gramm Lebkuchen. Der Tagesbedarf an Kalium hingegen beträgt für Erwachsene rund 2000 Milligramm. Getrocknete Früchte wie Aprikosen und Feigen, wie sie in Elisenlebkuchen verwendet werden, tragen mit rund 1000 Milligramm Kalium pro 100 Gramm zur Versorgung bei, bringen aber gleichzeitig viel Zucker mit. Als Nachtisch nach einer deftigen Mahlzeit kann eine kleine Portion Pfefferkuchen die Verdauungssäfte in Magen und Darm stimulieren und lässt dabei den Blutzuckerspiegel weniger ansteigen, als wenn sie zu Beginn einer Mahlzeit oder als alleinige Zwischenmahlzeit verzehrt wird.
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