»Das sind alles keine Spaßprojekte«

Wirtschaftsminister fordern dringend Ersatz für gescheiterten Klima- und Transformationsfonds

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Kommen Intel und TSCM noch nach Deutschland? Die beiden Chiphersteller aus den USA und Taiwan haben eigentlich große Pläne: Ersterer will 33 Milliarden Euro in ein neues Werk in Magdeburg investieren und 3000 Jobs schaffen, letzterer will zehn Milliarden in eine Fabrik in Dresden stecken, in der einmal 2000 Menschen arbeiten könnten. Das Problem: Beide Ansiedlungen hängen an üppiger staatlicher Förderung. 9,9 Milliarden Euro wurden Intel versprochen, fünf Milliarden sollen an TSCM gehen. Das Geld sollte aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung kommen, für den Corona-Hilfen in Höhe von 60 Milliarden Euro umgewidmet wurden, was jedoch laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November verfassungswidrig war. Betroffen sind zahlreiche weitere Projekte, vom Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bis zur Wärmeversorgung in Kommunen.

Alle diese Vorhaben müssen dennoch kommen. »Das sind keine Spaßprojekte, sie sind existenziell wichtig«, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am Montag nach einem kurzfristig anberaumten Sondertreffen der Wirtschafts- und Energieminister der Bundesländer mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Der Grünen-Politiker setzt den gleichen Tenor: »Alle Projekte müssen möglich gemacht werden. Sie haben alle ihren guten Grund.« Eine Unterscheidung in vordringliche und weniger wichtige Vorhaben, auf die man gegebenenfalls verzichten könnte, verbiete sich, ergänzte Armin Willingmann (SPD), Minister für Umwelt und Energie in Sachsen-Anhalt: »Ein Ranking schließt sich aus.«

Zur Begründung verweisen die Minister auf irreparable Schäden für den Wirtschaftsstandort und dessen internationale Konkurrenzfähigkeit. Wirtschaftspolitik sei »Wettbewerbs- und Konkurrenzpolitik geworden«, sagte Habeck. Er nannte etwa eine aktuelle Ankündigung aus Großbritannien, die Ansiedlung umweltfreundlicher Industrien staatlich zu fördern. Die USA verfolgen mit dem milliardenschweren Inflation Reduction Act das gleiche Ziel. »Wenn wir nichts tun, kommt die veränderte Technik trotzdem«, sagte Habeck; sie komme »nur eben nicht in Deutschland«. Das, fügte er hinzu, »geht nicht«. Die Vorhaben im Klima- und Transformationsfonds beträfen den »wirtschaftlichen Kern Deutschlands«. Würde dieser beschädigt, werde das problematische Konsequenzen für den sozialen Frieden und die politische Stimmung im Land haben.

Während der Ernst der Lage unstreitig ist, bleibt freilich auch nach dem Ministertreffen völlig unklar, woher das nötige Geld nach dem Wegfall des Klima- und Transformationsfonds kommen soll. Debattiert wird über unterschiedlichste Maßnahmen, von Kürzungen an anderer Stelle im Bundesetat, wie sie die FDP fordert, über Steuererhöhungen, die Einrichtung eines Sondervermögens Klimaschutz nach dem Vorbild des 100-Milliarden-Pakets für die Bundeswehr bis zur Aussetzung oder gänzlichen Abschaffung der Schuldenbremse. Für den Bundesetat des laufenden Jahres wurde diese ausgesetzt. SPD-Politiker Willingmann sagte am Montag, er halte es für »zwingend«, den gleichen Schritt für 2024 zu prüfen. Zudem solle das Instrument »generell reformiert« werden; es sei ursprünglich »für eine andere Situation konzipiert« worden. Ähnliche Stimmen kommen von anderen Politikern aus den Bundesländern, zunehmend auch solchen mit CDU-Parteibuch wie Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff oder dem Berliner Regierenden Bürgermeister Kai Wegener.

Die FDP sträubt sich indes weiter. Ohne Schuldenbremse würde sich die Bundesregierung die »eigene Handlungsfähigkeit in der Politik wegnehmen«, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger erklärte, ihm sei gleichgültig, ob die Mittel durch eine Abkehr von der Schuldenbremse oder »Abstriche anderswo« bereitgestellt würden, beispielsweise durch »Einsparungen beim Bürgergeld«. Habeck wollte sich am Montag nicht auf einen bestimmten Weg zur Lösung der Krise festlegen. Er verwies auf politische Mechanismen, wonach »alles, was öffentlich beredet wird, am Ende nicht kommen« werde. Gleichwohl halte er es nicht für ausgeschlossen, dass der Bund auch für 2024 eine Notlage feststellen und so die Schuldenbremse aussetzen könnte. Man müsse das aber »politisch konsensual und juristisch wasserfest« hinbekommen.

Allzu lange dürfen die Abwägungen, Prüfungen und Debatten allerdings nicht dauern, betonte die Ministerrunde. Man brauche »Antworten noch vor Weihnachten«, sagte der bayerische Ressortchef Aiwanger, der zudem fordert, Lösungen auf höchster politischer Ebene und über Parteigrenzen hinweg zu suchen. »Die Dramatik ist über Partei- und Ländergrenzen hinaus bekannt«, sagte er: »Das ist nicht ein Problem der einen oder der anderen, sondern von ganz Deutschland.« Aiwanger forderte ein Krisentreffen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder. Auch Habeck sagte, es wäre »sehr, sehr gut, wenn Deutschland an der Stelle zusammenrückt«. Man dürfe »nicht viel Zeit verlieren«. Die Wirtschafts- und Energieminister wollen sich nach Angaben Willingmanns vor Weihnachten erneut treffen und »weiteren Lösungsmodellen öffnen«.

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