Haushaltsdebatte: Attacken auf den Sozialstaat

Union und AfD fordern anlässlich der Regierungserklärung von Kanzler Scholz erneut Kürzungen bei Bürgergeld und Kindergrundsicherung

Friedrich Merz sprach am Dienstag im Bundestag viel von staatspolitischer Verantwortung. Seine Fraktion von CDU und CSU, aber auch Die Linke hatten eine Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zum Umgang der Ampel-Koalition mit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. November samt Aussprache eingefordert und bekommen.

Allein: Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ritten vor allem Attacken auf die Ampel-Koalition und deren haushaltspolitisches Versagen. Und bestanden vor allem auf der Wiedereinhaltung der sogenannten Schuldenbremse im Grundgesetz und forderten Ausgabenkürzungen vor allem im sozialen Bereich ein. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel machte zudem einmal mehr die Ausgaben für Geflüchtete für die angespannte Haushaltslage maßgeblich verantwortlich, verwies aber zugleich darauf, dass für das kommende Jahr Staatseinnahmen von rund einer Billion Euro erwartet würden, womit für die nötigen Ausgaben angeblich mehr als genug Geld zur Verfügung stehe.

Im Kern hat Karlsruhe klargestellt, dass einerseits nachträgliche Umwidmungen von sogenannten Sondervermögen, die eigentlich Schattenhaushalte zur Umgehung des Verbots einer nennenswerten Neuverschuldung im Grundgesetz sind, für einen anderen Zweck nicht zulässig sind. Eine solche Umwidmung hatte die Bundesregierung im Haushalt 2023 vorgenommen. Da seit Jahr und Tag Bund wie auch Länder mit solchen Schattenhaushalten arbeiten, zweifelten mehrere Redner im Bundestag an, ob die Grundkonstruktion der Schuldenbremse den Herausforderungen multipler Krisen und der Notwendigkeit klimaneutralen Wirtschaftens genügt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fragte: »Hat nicht sogar die Schuldenbremse diese Haushaltsführung provoziert?«

Er spielte darauf an, dass der Zwang zur Einhaltung der Regel das Jonglieren mit Sondervermögen erst notwendig machte. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge und andere Abgeordnete von Grünen und SPD hatten darauf verwiesen, dass zuletzt auch mehrere CDU-Ministerpräsidenten die Vorschrift in der Verfassung in ihrer aktuellen Form kritisiert haben. Genannt wurden die Namen von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, seines Kollegen Reiner Haseloff und des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Kai Wegner.

CDU-Chef Merz beeindruckte das wenig. Er stellte klar, die Union werde an der Schuldenbremse festhalten. »Die Entscheidungen werden hier im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin«, sagte er in Anspielung auf Äußerungen von Kai Wegner, der mit Blick auf die Regel von einem Instrument zur Verhinderung nötiger Investitionen gesprochen hatte.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion stellte fest, schon mit dem Ampel-Koalitionsvertrag 2023 sei der Wunsch von Bundesfinanzminister Christian Lindner nach Einhaltung der Schuldenbremse einerseits und dem nach »Aufblähung des Sozialstaats für die Sozialdemokraten« berücksichtigt worden. Wie bereits in den vergangenen Tagen forderte Merz einen Verzicht auf die von der Ampel geplante Anhebung des Bürgergelds und andere Etatkürzungen im Sozialbereich. »Arbeit muss sich mehr lohnen als der Bezug von Transferleistungen«, so Merz. Und weiter: »Wenn Sie auf 5000 neue Stellen im öffentlichen Dienst für die Kindergrundsicherung verzichten wollen, haben Sie uns an Ihrer Seite.«

Katharina Dröge konterte die Aussagen von Merz zum Bürgergeld mit dem Hinweis, dass auch die Union im vergangenen Jahr dessen Erhöhung zugestimmt habe. »Hören Sie auf, mit dem Bürgergeld zu zündeln«, rief die Grünen-Fraktionschefin ihm zu. »Sie wissen, dass das Bundesverfassungsgericht uns aufgetragen hat, allen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu garantieren. Redlichkeit bedeutet, dass man jedes Verfassungsgerichtsurteil ernst nimmt.« Dass die Union »ausgerechnet bei der Bekämpfung von Kinderarmut sparen« wolle, sei »schäbig«.

Die Grünen-Politikerin und Mützenich verwiesen zudem auf die gewaltigen Investitionsprogramme in den USA, in Spanien und Großbritannien, wo es keine Schuldenbremse gebe. Öffentliche Unterstützung der Wirtschaft beim Umbau der Produktion in Richtung Klimaneutralität sei notwendig, um im internationalen Wettbewerb den Anschluss nicht zu verlieren und Hunderttausende Jobs zu sichern.

Einen Abschied von der Schuldenbremse forderte auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Sie sei eine »Investitionsbremse«, durch die die Infrastruktur verfalle. Es gehe aber nicht nur um mehr Investitionen, sondern auch um mehr Einnahmen durch eine gerechte Steuerpolitik. Die Bundesrepublik sei immer noch eine »Steueroase für Superreiche«, betonte der Linke-Politiker. Auch die Ausgaben müssten reduziert werden, aber nicht im Sozialetat, sondern »zuallererst im Rüstungsbereich«. Während in fast allen Haushalten gekürzt werde, sei die Verdopplung der Militärhilfe für die Ukraine »einfach so durchgewinkt« worden, monierte Bartsch.

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