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Baskenland: Feministischer Generalstreik

In Nordspanien legen die Fabrikarbeiter für die Pflegekräfte die Arbeit nieder

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 5 Min.
Protest vor dem Sitz der Provinzregierung beim femnistischen Generalstreik im Baskenland
Protest vor dem Sitz der Provinzregierung beim femnistischen Generalstreik im Baskenland

»Gora borroka feminista«, schallen Sprechchöre schon am frühen Donnerstagmorgen durch die Stadtteile des baskischen Seebads Donostia-San Sebastián. Dass an diesem 30. November viele den »Feministischen Generalstreik« hochleben lassen, wurde sofort beim Einschalten des Radios deutlich. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk EITB, der meistgehörte Sender hier, lief nur ein Notprogramm mit Musik und stündlichen Nachrichten. Auf den Straßen lassen sich derweil die Aktivist*innen auch vom starken Regen nicht davon abhalten, mit Regenschirmen bewaffnet durch Industriegebiete und Straßen in allen Städten und Dörfern zu ziehen, um für den Ausstand zu werben.

»Bei diesem Generalstreik müssen die Männer unterstützen, insbesondere in den am stärksten von Männern dominierten Bereichen, wie in großen Fabriken und Unternehmen«, hatte Maite Irazabal, Sprecherin der Frauenversammlung in Biskaya, im Vorfeld bei Mobilisierungen zum Generalstreik gefordert. Agustín Rodríguez hat sich diese Aufforderung zu eigen gemacht. Er ist mit Streikposten im Stadtteil Gros unterwegs. Vor seiner »Marruma Taberna« warten Kunden vergeblich, dass sich die Türen der Kneipe öffnen. Gegenüber »nd« erklärt er: »Ich streike, da das Pflegesystem vollständig umgekrempelt werden muss.« Es dürfe nicht sein, dass die Pflege in Krankenhäusern, Heimen und zu Hause vor allem von Frauen geleistet werde, daran müssten auch verstärkt Männer teilnehmen. Auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen sich deutlich verbessern.

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Aktionen über den 8. März hinaus

Wurde schon am Internationalen Frauenkampftag stark gestreikt, hatte sich die feministische Bewegung hier schon vor Jahren zum Ziel gesetzt, über den 8. März hinauszukommen. Das ist ihr, nach der Zäsur in der Corona-Pandemie, gelungen. »Wir haben mit der Idee eines feministischen Streiks die Gewerkschaften und soziale Organisationen durchdrungen«, erklärt Naia Torrealdai Mandaluniz, Sprecherin von »Bizitzak Erdigunean« (Das Leben im Zentrum). Die zähe Arbeit der Bewegung hat erste Erfolge gezeigt und Torrelaldai bewertet den Streik als »historischen« Vorgang.

Zum Streik haben neben Feministinnen auch Studenten- und Rentnervereinigungen, soziale Organisationen und alle baskischen Gewerkschaften aufgerufen. Die großen spanischen Gewerkschaften CCOO und UGT beteiligen sich, wie beim Streik für würdige Renten im Januar 2020 nicht, dafür die kleineren CGT und CNT. CCOO und UGT geben sich gerne progressiv, machen aber vor allem Klientelpolitik für eine meist noch relativ gut abgesicherte Arbeiterschaft.

Arbeiten oft in prekären Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen in den meist von Frauen ausgeübten Pflegeberufen sind oft prekär. Teilweise nehmen sie bisweilen extrem ausbeuterische Formen an – wie in der häuslichen Pflege. Die wird oft von illegalisierten Einwanderinnen geleistet. »Wir müssen praktisch alle Bedingungen akzeptieren«, erklärt Elisa Pereda zu endlosen Arbeitstagen und einer Sieben-Tage-Woche. »Wir sind denen hilflos ausgeliefert, die uns einen Arbeitsvertrag versprechen, die Grundlage für eine Aufenthaltsgenehmigung.« Um das zu beenden, fordern die Aktivist*innen die Aufhebung des Ausländergesetzes und die Legalisierung aller Pflegekräfte. Doch real wird das Streikrecht nicht nur Frauen wie Pereda verweigert, weshalb für sie heute stellvertretend viele Frauen und Männer auf der Straße sind, überraschend auch recht viele junge Männer. In einigen Sektoren war die Streikbeteiligung sehr hoch. Die baskische Regionalregierung spricht zum Beispiel von 40 Prozent im Bildungssektor, die Gewerkschaften sogar von 75 Prozent.

In Pflegeberufen ist ein Streik nur eingeschränkt möglich, da Kranke, Alte, Behinderte und Kinder sich nicht einfach selbst überlassen werden können. Das zeigt sich an den von der Regionalregierung verordneten »Minimaldiensten«. Sind es im Transportbereich 30 Prozent, sind es in Heimen schon 50 bis 60 Prozent und in einigen Bereichen sogar 100 Prozent, wo gar nicht gestreikt werden kann.

Streik gegen die zunehmende Privatisierung

Gestreikt wird aber auch gegen die zunehmende Privatisierung, gegen die sich der Chef der größten Gewerkschaft im Baskenland wendet. Der ELA-Chef Mitxel Lakuntza kritisierte, dass pflegebedürftige Menschen immer stärker vernachlässigt würden, die Pflege werde oft von »privaten Unternehmen geleistet«, während sich die »Institutionen ihrer Verantwortung entziehen«. Das sieht auch Eider so, die vor dem Rathaus in Donostia die Privatisierungen durch die Stadtregierung hart kritisiert und mit ihren Kolleginnen für eine würdige Pflege in öffentlicher Hand eintritt. Sie ist von der »guten Mobilisierung« erfreut: »Es sind viele Leute gekommen«, erklärte sie dem »nd« und erwartete für den Nachmittag eine riesige Demonstration, wie in allen anderen baskischen Städten. Dass viele Kneipen und Geschäfte in San Sebastián, anders als bei anderen Generalstreiks, geöffnet sind, zeigt für den Wirt Rodríguez, dass noch ein langer Weg zu beschreiten ist. Er ist sich mit Eider darüber einig, dass der Streik ein »Startpunkt« ist und tiefer in die Gesellschaft vorgedrungen werden muss.

Zum Teil kam es aber auch zu Übergriffen auf Streikende durch die Polizei und es gab Festnahmen, wie am Sitz der Provinzregierung. Dort hatten sich fünf Frauen angekettet. Die Polizei prügelte sich durch die friedliche Menge zu den Frauen durch, die schließlich weggeschleift wurden. Die Sicherheitskräfte können Generalstreiks offenbar wenig abgewinnen, auch nicht feministischen.

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