Lasko Schleunung: »Ich bin besorgt, was noch kommt«

Der Schüler Lasko Schleunung über die Gefahr von rechts und seinen politischen Aktivismus

  • Interview: Julia Belzig
  • Lesedauer: 6 Min.
Lasko Schleunung ist Sprecher seines Ortsverbandes der Linken und Mitglied im Ausschuss für Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion, Arbeit, Soziales und Gesundheit der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg.
Lasko Schleunung ist Sprecher seines Ortsverbandes der Linken und Mitglied im Ausschuss für Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion, Arbeit, Soziales und Gesundheit der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg.

In der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) kam es vor zwei Wochen zu einem Vorfall zwischen einem AfD-Abgeordneten und dir. Warum warst du an dem Tag da?

Ich gehe regelmäßig in die Bezirksverordnetenversammlung, weil ich es sehr interessant finde. Dort habe ich dann eine Bürger*innenanfrage gestellt zu rechten Flyern und der Präsenz rechter Parteien an Schulen. Ich wollte wissen, ob das Bezirksamt von diesen Vorfällen weiß und was es dagegen machen wird.

Was ist dann passiert?

Ich habe unter anderem erwähnt, dass in meiner Schule auch ein Sticker von der AfD aufgetaucht ist. Und als ich zur Beantwortung der Frage das Redner*innenpult verlassen habe, habe ich ein »dummer Lügner« von dem Lichtenberger AfD-Vorsitzenden Dietmar Drewes gehört. Ich bin kein Lügner, denn ich habe nie behauptet, dass die AfD Sticker an unserer Schule verteilt, lediglich dass ein Sticker dieser Partei aufgetaucht ist. Ich habe weder die AfD-Fraktion direkt angesprochen, noch habe ich gesagt, dass sie Sticker an Schulen verteilt. Aber Herr Drewes hat sich angesprochen gefühlt. Es heißt ja, getroffene Hunde bellen.

Was war deine erste Reaktion darauf?

Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich glaube, ich habe gesagt: »Ja, ja«. Weil ich mir dachte: AfD halt, was erwartet man?

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Warum war dir das Thema so ein wichtiges Anliegen?

Ich bin Mitglied bei Die Linke, sitze auch in mehreren Ausschüssen und bin seit diesem Jahr Anne-Frank-Botschafter. Außerdem bin ich ja selbst auch Schüler und Schulsprecher meiner Schule und engagiere mich gegen rechts, gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und gegen Diskriminierung. Und das ist mir deswegen einfach ein besonderes Thema, weil ich finde, dass so etwas nichts vor Schulen und generell nirgendwo etwas zu suchen hat. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich in dem Moment in der BVV die Frage als besorgter Schüler und Bürger gestellt habe, nicht als Mitglied einer Partei.

Wie kam es dazu, dass du dann noch direkt in der BVV Anzeige erstattet hast?

Ich habe jemandem von meiner Partei davon erzählt. Die Person hat vorgeschlagen, zum Vorsteher zu gehen. Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass der Vorsteher etwas macht. Also, einen Ordnungsruf wäre das wert gewesen. Mich als Lügner zu bezeichnen, ist ja schon unparlamentarisch. Aber dann noch »dummer Lügner«, das ist ein persönlicher Angriff. Der Vorsteher, Georg Hoffmann von der CDU, hat dann die Sitzung unterbrochen und darum gebeten, dass alle Beteiligten sich einer ordentlichen Sprache zuwenden. Das heißt, er hat mich indirekt auch angesprochen. Dann hat Herr Hoffmann noch eine kurze Pause gemacht und mit Herrn Drewes von der AfD geredet. Aber das sah eher aus wie ein freundliches Gespräch, zumindest nach meiner Interpretation.

Wie ging es dann weiter?

»Dummer Lügner« ist eine Beleidigung. Ich habe dann bei den Polizeibeamt*innen, die vor Ort waren, eine Anzeige erstattet und meine Aussage getätigt. Sie haben dann Herrn Drewes zur Seite gezogen und ihn befragt. Er hat das natürlich abgestritten. Er hat gesagt, er habe nur »Lügner« gesagt, nicht »dummer Lügner«. Bisher steht Aussage gegen Aussage. Aber man muss abwarten, ob auf den Videos etwas Genaueres zu hören ist.

Hättest du dir gewünscht, das auf eine andere Art und Weise zu klären?

Ich hätte so oder so Strafanzeige erstattet. Aber von dem Vorsteher kam kein Ordnungsruf, keine Abmahnung, nichts. Das war in dem Moment ein bisschen blöd. Dazu kommt, dass ich selbst Anfang des Jahres von Nazis körperlich angegriffen wurde, an einem Infostand der Linken in Lichtenberg. Deshalb ist mir das persönlich noch einmal wichtiger. Denn wenn man solche Leute nicht in die Schranken weist, dann werden sie immer stärker.

Zur Person

Lasko Schleunung ist 17 Jahre alt und geht auf eine Integrierte Sekundarschule in Berlin-Lichtenberg. Er ist Sprecher seines Ortsverbandes der Linken und Mitglied im Ausschuss für Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion, Arbeit, Soziales und Gesundheit der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg. Nachdem das Interview geführt worden war, erklärte der Geschäftsführer der AfD-Fraktion der BVV Lichtenberg, Strafanzeige wegen Verleumdung gegen den Schüler zu stellen.

Wurde denn deine Frage zu den Flyern noch beantwortet?

Die Bezirksstadträtin Catrin Gocksch (CDU) sagte, sie sei darüber nicht in Kenntnis gesetzt worden. Das soll geklärt werden. Aber das kann überhaupt nicht stimmen, dass sie davon nicht weiß, weil mein Schulleiter diese Vorfälle an die Schulaufsicht gemeldet hat.

Was genau ist das Problem bei Schulen in Lichtenberg?

Es wurden in mehreren Schulen im Bezirk in letzter Zeit vermehrt rechte Sticker und Flyer gefunden. Ich weiß persönlich von vier weiteren Schulen neben meiner eigenen. Rechte Parteien sind auch sonst präsent. Ende September stand vor meiner Schule die Partei Der III. Weg mit einem Infostand und hat Schüler*innen angesprochen, Infomaterial verteilt.

Gibt es andere, demokratische Parteien, die sich vor eure Schule stellen?

Es gibt Infostände in Schulnähe, von der Linken, aber auch von der CDU. Und es gibt eine Jugendorganisation, die Internationale Jugend, die sich ab und zu mal vor unsere Schule stellt. Vor allem nach dem Vorfall mit Der III. Weg. Dazu muss man aber sagen: Parteien haben grundlegend nichts in der direkten Nähe von Schulen zu suchen. Aber man muss unterscheiden zwischen linken und rechten Parteien beziehungsweise demokratischen Parteien und undemokratischen Parteien. Rechte Parteien, die undemokratisch sind, die politische Bildung komplett ruinieren und menschenverachtend sind, sind etwas anderes als eine linke Jugendorganisation.

Fühlen sich Lichtenberger Schüler*innen sicher?

Wir fühlen uns schon sicher. Aber wenn man manchmal bis spätabends in der Schule ist, noch eine Ausschusssitzung hat, halt ein bisschen linker aussieht und nach Hause läuft, dann hat man schon ein bisschen Angst. Das gebe ich ehrlich zu. Es gibt Jungs, die tragen Nagellack oder halt mal ein Netzhemd. Oder wenn ich einen linken Pullover trage, nur mit einer Faust drauf, wird man schon angepöbelt. Aber ich denke, ich werde dem entschlossen entgegentreten und dafür auch so lange kämpfen, bis das wirklich überwunden ist; gerade dieser Rechtsruck, den wir in Deutschland haben.

Seit wann engagierst du dich politisch?

Ich war schon von klein auf jemand, der gefragt hat: Warum werden Menschen beleidigt und verfolgt? So richtig gegen Nazis aktiv bin ich sogar schon, seit ich zehn Jahre alt bin. Ich habe früher selbst zu Hause Plakate gemalt, mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz drauf und Sprüchen wie »Mensch ist Mensch«. Die habe ich dann bei der Nazikneipe »Sturgis« im Weitlingkiez aufgehängt und wurde dann als Zehnjähriger von deren Leuten verfolgt. Dass ich für die Rechte von Menschen einstehen kann, ist mir wirklich das Allerwichtigste. Die Demokratie in unserem Land, sie ist nicht perfekt. Aber ich schätze sie sehr und ich muss ehrlich sagen, dass ich besorgt bin, was noch kommt.

Wo siehst du dich in der Zukunft?

Ich möchte auf jeden Fall hauptberuflich in die Politik gehen. Ich bin Lichtenberger mit Herz und Seele und kompletter Leidenschaft. Ich wohne mein ganzes Leben hier und habe auch nicht vor wegzuziehen. Und ich möchte wirklich etwas für die Menschen hier erreichen, sei es als Bürger, Bezirksbürgermeister, Bundestagsabgeordneter, Abgeordnetenhausabgeordneter oder Bezirksverordneter. Aber ich möchte vorher erst mal eine Ausbildung machen und was vom Leben sehen, damit ich auch weiß, wo man anpacken muss.

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