Klimagipfel: Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050 ist ein Muss

Neue Erkenntnisse der Klimawissenschaft setzen Dubai-Konferenz unter Druck

  • David Zauner, Dubai
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist eine der wenigen Veranstaltungen auf der Weltklimakonferenz COP28, bei der die Wissenschaft im Zentrum steht. Zwischen Verhandlungen, Pressekonferenzen und mehr oder weniger überzeugenden Ankündigungen von Staatschefs stellte am Sonntagabend in Dubai eine Gruppe von Wissenschaftler*innen einen neuen Bericht mit dem Titel »Ten New Insights in Climate Science« vor. Zum mittlerweile siebten Mal sind führende Klimaforscher*innen aus Universitäten und Forschungsinstituten zusammengekommen, um die wichtigsten wissenschaftlichen Updates aus dem vergangenen Jahr zu ermitteln. »Der Bericht wird nicht nur an den Chef des UN-Klimasekretariats, sondern auch an alle Verhandlungsparteien des Klimagipfels geschickt«, hebt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, die Bedeutung der Arbeit hervor und schickt den Appell nach: »Wissenschaft muss wieder ins Zentrum der Verhandlungen rücken.«

Es ist ein wahrer Parforceritt durch die Forschung: Die Überschreitung der 1,5-Grad-Schwelle der Erderwärmung ist – zumindest vorübergehend – mittlerweile unvermeidbar. Entscheidend sei daher, das Ausmaß und die Dauer der Überschreitung zu minimieren, um keine irreversiblen Veränderungen im Erdsystem zu riskieren. Außerdem setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Klima- und die Biodiversitätskrise zusammenhängen und nur gemeinsam gelöst werden können. Gleichzeitig auftretende Extremereignisse – etwa eine Dürre in Kombination mit einer Hitzewelle – können schlimmere Auswirkungen haben als »die Summe der Einzelereignisse«. Auch schmelzen Gebirgsgletscher immer schneller, wodurch etwa zwei Milliarden flussabwärts lebende Menschen von Wasserknappheit bedroht sind. Schließlich kann der Klimawandel die Mobilität armer Bevölkerungsgruppen einschränken, schützen Anpassungsmaßnahmen oft nur Teile der Gesellschaft, weshalb Gerechtigkeit als Kriterium aufgenommen werden muss. Zudem ist eine Reform des weltweiten Ernährungssystems für wirksamen Klimaschutz unerlässlich.

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Die vielleicht politisch brisanteste Erkenntnis der Wissenschaft: Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens in Sichtweite zu halten, führt kein Weg an einem schnellen und kontrollierten Ausstieg aus den fossilen Energien vorbei. Regierungen dürfen demnach keine neuen fossilen Projekte erlauben und müssen die bestehende fossile Infrastruktur früher stilllegen als bisher geplant. Des Weiteren muss die Politik die Möglichkeiten zur effizienten CO2-Entnahme zwar massiv vorantreiben, allerdings ist davor zu warnen, sich zu sehr auf natürliche CO2-Senken zu verlassen. Denn es ist unklar, wie sich die Aufnahmefähigkeit von Wäldern und Ozeanen mit fortschreitendem Klimawandel verändert.

Die Sorge der Wissenschaft, auf dem Klimagipfel zu wenig Gehör zu finden, wurde wenige Stunden zuvor erneut bestätigt. Am gleichen Tag, als Rockström und Kollegen in Dubai das Podium betraten, machte ein Artikel im britischen »Guardian« über den umstrittenen Konferenzpräsidenten Sultan Ahmed Al-Jaber die Runde. Dieser habe in einem Gespräch mit Mary Robinson – die ehemalige irische Präsidentin setzt sich mittlerweile stark für Klimagerechtigkeit ein – gesagt, es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass der Ausstieg aus fossilen Energien für das 1,5-Grad-Ziel notwendig sei.

Darauf angesprochen, antwortete Klimaforscher Rockström in gewohnt nüchterner Manier: »Alle noch möglichen Szenarien im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel setzen voraus, dass wir aus den fossilen Energien bis 2050 aussteigen.« Allerdings werde es Restemissionen geben. Diese müssten, so der Wissenschaftler, über CO2-Speichertechnologien abgefangen werden. Aber auch das werde noch nicht reichen: Um die absehbare Überschreitung der Temperaturgrenze wieder rückgängig zu machen, müsse der Atmosphäre unterm Strich CO2 entzogen werden. »Es kann wissenschaftlich keine andere Aussage geben, als dass der Ausstieg aus fossilen Energien notwendig, aber bei Weitem nicht ausreichend ist«, so Rockström.

Konferenzpräsident Al-Jaber versuchte sich am Montag in Schadensbegrenzung: Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Er glaube an die Wissenschaft, sagte er bei einer Pressekonferenz. »Alles, was wir tun, dreht sich um die Wissenschaft.« Auch sei der Gipfel bisher ein enormer Erfolg. Wenn er über das Konferenzgelände laufe, sehe er überall Hoffnung und Optimismus. Einem Klimaforscher scheint Al-Jaber demnach nicht begegnet zu sein.

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