- Berlin
- Obdachlosigkeit
Sachspenden-Mangel in Berlin: Winterjacken gesucht
Der Stadtmission und dem Rotem Kreuz fehlt es an Kleiderspenden für Obdachlose – bei völlig überfüllten Unterkünften
An der Lehrter Straße, Nähe Hauptbahnhof, steht eine der größten Einrichtungen für Obdachlose in Berlin. Der Standort, an dem die Stadtmission eine Ambulanz, eine Kleiderkammer und Notübernachtungen anbietet, ist gefragt wie lange nicht. »Rund 180 Menschen kommen hier zurzeit am Tag vorbei«, sagt Barbara Breuer zu »nd«. Im vergangenen Winter, so die Sprecherin der Berliner Stadtmission, waren es noch 120 – ein Drittel mehr zu tun, ein Drittel mehr zu helfen.
Doch die erhöhte Nachfrage trifft auf sinkende Spendenbereitschaft, wie die Stadtmission vermeldet. Socken, Winterjacken, Schlafsäcke, Unterwäsche: Die Liste der Mangelware ist lang. »Man muss sich vorstellen, wie das ist, nach einer Woche in der gleichen Unterwäsche duschen zu können, und dann ist nichts Frisches da«, sagt Breuer.
Die Lage auf den Straßen sei derweil angespannt: »Die Kältebusfahrer müssen die Menschen schon eine halbe Stunde vor Mitternacht auf der Straße versorgen, weil die Unterkünfte dicht sind. Statt für eine Übernachtungsmöglichkeit reicht es dann nur für einen Schlafsack und einen heißen Tee.« Normalerweise, erklärt Breuer, stellten sich erst zwischen zwei bis drei Uhr Probleme ein. Die Sucht sorge dafür, dass viele Obdachlose versuchten, das Alkoholverbot in den Unterkünften bis zum letztmöglichen Moment herauszuzögern.
Auf der eigenen Website aktualisiert die Berliner Stadtmission jeden Tag aufs Neue, was gerade gebraucht wird. »Die Sachen sollten in einem Zustand sein, in dem man sie auch einer guten Freundin oder einem guten Freund schenken würde«, erklärt Breuer. »Wir wollen den Menschen mit der Kleidung ein Stück Würde zurückgeben.« Dementsprechend sollten die Klamotten funktionstüchtig und sauber sein. Wichtig ist auch, der jeweiligen Jahreszeit entsprechend zu spenden. Über Lagerkapazitäten verfügt die Berliner Stadtmission nicht.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Neben Kleidung und den wichtigen Schlafsäcken sind besonders Geldspenden willkommen, die zweckgebunden investiert werden. Auch unbenutzte Hygieneartikel und Lebensmittel sind gefragt, gerade Kaffee und Zucker würden in rasender Geschwindigkeit aufgebraucht, so Breuer. »Außerdem freuen wir uns riesig über jede Hilfe vor Ort.«
Nötig ist die allemal: Für 125 Übernachtungsplätze, die in der Lehrter Straße zur Verfügung stehen, sorgen jeden Abend zwei Festangestellte. Ihnen gegenüber stehen im Schnitt 20 ehrenamtliche Helfer*innen. »Es wäre schön, wenn das ausfinanziert wäre«, sagt Breuer. Generell müsse der Senat mehr Notunterkünfte schaffen, am besten ganzjährige. »Die Zahl der Bedürftigen steigt.«
Schwindende Spendenbereitschaft in der Hauptstadt macht sich nicht nur bei der Stadtmission bemerkbar. Auch der Berliner Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) berichtet von einem Negativtrend. »Grundsätzlich stellen wir fest, dass das Spendenaufkommen insgesamt zurückgeht«, teilt das DRK auf Anfrage von »nd« mit. Der größte Bedarf bestehe an Schlafsäcken, Isomatten und großen, warmen Männerschuhen.
Wie die Stadtmission erklärt sich auch der Landesverband die Entwicklung mit Inflation und hohen Teuerungsraten. Außerdem wird vermutet, dass viele Berliner*innen für Menschen in von Krieg und Katastrophen betroffenen Regionen spenden. »Wir sind auf Spenden angewiesen, da wir für diese oft lebensrettende Arbeit keine staatlichen Zuwendungen erhalten«, heißt es weiter. Auch die Mitarbeiter*innen im DRK-Wärmebus arbeiteten auf ehrenamtlicher Basis.
Wo und wie Sie an die Berliner Stadtmission und den DRK-Landesverband spenden können, finden Sie unter www.berliner-stadtmission.de und www.drk-berlin.de.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.