Oppie, Barbie & Cilla

Warum nur müssen Schauspieler*innen Akzente simulieren, die ihnen keiner abkauft?

  • Jana Talke
  • Lesedauer: 4 Min.
Der »Transatlantic Accent« gehörte zu Zeiten Audrey Hepburns zum Standardrepertoire eines jeden Schauspielers.
Der »Transatlantic Accent« gehörte zu Zeiten Audrey Hepburns zum Standardrepertoire eines jeden Schauspielers.

Howdy aus Texas, liebe Leser*innen,

2023 ist fast vorbei und das ist auch gut so. Bevor die KI alles ersetzt, was mir lieb und teuer ist, möchte ich mit Ihnen auf eine Domäne blicken, in der die US-Amerikaner ohne Zweifel und Widerrede die Welt dominieren, und nein, ich meine damit weder ihr Konsumverhalten noch die Anzahl verwirrter Politiker in den Nachrichten. Ich meine das Kino. In der amerikanischen Filmindustrie trifft alles zusammen, was Erfolg garantiert: Talent, technische Raffinesse und ein Riesenhaufen Kohle. Beneidenswert. Doch es gibt auch Skurriles, sonst wären es nicht die USA.

In Deutschland sah ich amerikanische Filme vorrangig in synchronisierter Fassung, wie die meisten Nichtamerikaner; in Texas angekommen, schaute ich einige Klassiker nochmals auf Englisch und fiel fast vom Stuhl. Woher kamen diese irren Akzente? Zuerst dachte ich, Audrey Hepburn klänge aufgrund ihrer niederländisch-britischen Wurzeln schräg. Als ich aber auch Bette Davis und alle anderen Hollywoodstars der 50er Jahre in einem bizarren Sprech palavern hörte, musste ich googeln: »Transatlantic accent« nennt sich das alberne Phänomen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, bei dem es als schick galt, in einem britisch-amerikanischen Amalgam zu sprechen. Vielleicht, weil echtes British English zu anstrengend war? Dann schaute ich »Schindlers Liste« und musste schockiert feststellen, dass alle Schauspieler dieses Films im Original einen künstlichen Akzent haben: Ralph Fiennes als Amon Göth spricht English mit einem Möchtegern-Ösi-Akzent, Ben Kingsley als Itzhak Stern mit einem quasi-polnischen. Ich fragte Freunde, ob das normal sei. Ob es nicht unnormal sei, es nicht zu tun, fragten sie erbost. Wie solle man sonst filmisch darstellen, dass sich etwas nicht in Amerika abspiele? Indem man das ankündigt? Per Transferwissen? Ich war ratlos.

Talke talks

News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.

Zu meinem Leidwesen will dieser verwirrende Filmtrend nicht aussterben. In Ridley Scotts Gucci-Film von 2021 beispielsweise sprechen alle Darsteller Englisch mit einem (unterschiedlich schlechten) pseudoitalienischen Akzent. Sie simulieren Italienisch. Als die Gucci-Familie nach Amerika auswandert, behält sie die Akzente, obwohl sie mit den Amerikanern ja kein Italienisch mehr, sondern Englisch sprechen müsste. Akzente schafften es sogar in die Synchronisation: Die Serie »Squid Game« wird in der US-Version von Synchronstimmen mit dezidiert koreanischer Aussprache gesprochen. Ich fürchte, diese Methode führt weniger dazu, dass andere Länder authentischer dargestellt werden, sondern eher, dass die dümmliche Generation Z annimmt, dass Leute überall auf der Welt statt ihrer Muttersprache schlechtes Englisch miteinander sprechen. Und falls Sie sich fragen, mit welchen Aussprachen historische US-Filme gedreht werden: Meist mit British English, aber nicht transatlantic!

Kommen wir nun zu den besten Filmen von 2023. Sie stehen vor allem im Zeichen des Geschlechterkampfs: »Barbenheimer« wurden die gleichzeitig erschienenen und auf den ersten Blick sonst nichts miteinander zu tun habenden Filme »Barbie« und »Oppenheimer« vom Publikum getauft. Dabei sind doch gewisse Ähnlichkeiten vorhanden, beide Filme zeigen sehr amerikanische Figuren und Themen des 20. Jahrhunderts mit deutsch-jüdischen Einflüssen. Auch in ihrer Diskriminierung sind die Filme ähnlich: Christopher Nolan lässt absichtlich weibliche Wissenschaftlerinnen aus, die mit Oppenheimer am Manhattan-Projekt zusammenarbeiteten; Greta Gerwig stellt alle Männer, ob Kens oder Mattel-Mitarbeiter, wie Dumpfbacken dar. Sofia Coppola demontiert in »Priscilla« die amerikanische Galionsfigur Elvis, indem sie einen der schönsten Männer der Welt castet, um ihn dann als kompletten Vollpfosten zu zeichnen. Bradley Cooper dagegen verleiht mit »Maestro« einem anderen amerikanischen Superstar mehr Menschlichkeit, dem Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein, der als schwuler, aber seiner Ehefrau zutiefst ergebener Mann hin- und hergerissen war; Cooper spielt ihn gleich selbst, voller Einfühlsamkeit und Chuzpe.

Und Martin Scorcese? Der macht alle paar Jahre das Gleiche: nimmt sich vier Stunden und lässt DeNiro und DiCaprio ihre Talente vorführen. Das gelingt auch, und dieses Mal besonders, denn »Killers of the flower moon« erzählt eine skandalöse, bedrückende und zutiefst amerikanische Geschichte von Rassismus und Ungerechtigkeit. Sie sehen: Egal wie schlimm die Weltsituation ist, früher oder später wird es einen guten amerikanischen Film drüber geben.

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