In welchem Land lebt der Ministerpräsident?

Brandenburgs Linke ist lernfähig und möchte die Schuldenbremse abschaffen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Es habe einst gute Gründe gegeben, die Schuldenbremse in der Bundesrepublik einzuführen, verteidigte Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann diese Maßnahme am Mittwoch im Landtag. Er verwies darauf, dass die Schuldenquote – das Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt – von 1949 bis 2012 von 19 Prozent auf fast 80 Prozent gestiegen sei. Durch dergleichen werde die Stabilität von Staaten infrage gestellt. »Schauen Sie sich um in Europa. Sie sehen, wohin das führt: Griechenland, Italien et cetera.«

Redmann zitierte in seiner Rede auch den früheren brandenburgischen Finanzminister Christian Görke (Linke), der die Schuldenbremse einst als »parlamentarisches Glanzstück« bezeichnet habe. Darauf erwiderte Linksfraktionschef Sebastian Walter, geschickt in eine von Redmann zugelassene Zwischenfrage gekleidet, den Hinweis, jeder könne und müsste es heute anders sehen. Görkes Nachfolgerin als Finanzministerin, die SPD-Politikerin Katrin Lange, habe die Koalition als »lernendes System« bezeichnet. Ob Redmann nicht auch Görke und anderen zubilligen wolle, aus Erfahrungen zu lernen. »Der Realitätscheck der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Schuldenbremse nichts bringt beziehungsweise nichts Gutes bringt, sondern uns einengt und die Investitionsbedarfe nicht decken wird.«

Die oppositionelle Linke möchte die Schuldenbremse abschaffen. Dafür sollte sich die rot-schwarz-grüne Landesregierung auf Bundesebene einsetzen. »Die Schuldenbremse ist schon lange nicht mehr zeitgemäß.« Sie sei »blind« gegenüber den Bedürfnissen der Gesellschaft. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November habe die Praxis mehrerer Bundesregierungen beendet, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse durch zahlreiche Sondervermögen zu umgehen. Es sei davon auszugehen, dass auch das kreditfinanzierte Brandenburg-Paket betroffen sein könnte. Die Schuldenbremse sei »ein Risikofaktor für die Nachhaltigkeit unserer Finanzen, weil sie die dringend notwendige Modernisierung unseres Landes erschwert und dadurch den Aufbruch in eine klimagerechte Wirtschaft und Gesellschaft behindert«.

Auch Brandenburg lebe seit vielen Jahren von der Substanz und sei nicht in der Lage, Investitionen in die Zukunft aus den laufenden Haushalten zu finanzieren. Das Argument, künftigen Generationen sei eine geringe Schuldenquote wichtig, greife zu kurz. Auch der Jugend dürften »gute Arbeitsplätze, eine intakte Umwelt, sozialer und politischer Friede und Freiheit deutlich wichtiger sein als die Frage, ob der Staat 0,5 oder 0,8 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung als Zinsen auf seine Schulden zahlt«. Das Problem seien nicht zu hohe Staatsausgaben, sondern zu geringe Ausgaben etwa für Bildung. »Jeder Euro, der in Bildung investiert wird, kommt langfristig doppelt und dreifach in Form höherer Steuereinnahmen zurück.«

Um ihr Brandenburg-Hilfspaket zu retten, will die Koalition eine Notlage erklären. Das erlaubt, trotz Schuldenbremse ausnahmsweise Schulden zu machen, die dann mit einem Nachtragshaushalt beschlossen werden können. »In was für einem Land wollen wir leben?« Das fragte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch im Landtag. Wolle man Zusammenhalt, Solidarität, Gemeinsinn in einer Welt, die sich immer schneller zu verändern scheine? Wolle man die soziale Infrastruktur schützen, wenn sie unverschuldet unter Druck geraten sei? Wenn ja, so benötige man finanzpolitische Handlungsfähigkeit. Zwar befinde sich Brandenburg in der »erfolgreichsten Phase seiner Geschichte«, schwärmte der Ministerpräsident einmal mehr. Zwar würden Investitionen in Rekordgeschwindigkeit realisiert, zwar sei man beim Wirtschaftswachstum Spitzenreiter. Doch es gebe den Krieg in der Ukraine mit seinen Auswirkungen auch auf Brandenburg und unfaire Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt. Das Brandenburg-Paket helfe in dieser Lage. 100 Millionen Euro seien für Familien mit Kindern vorgesehen. »Jeder einzelne Euro wird dringend gebraucht.« 190 Millionen Euro seien für die Krankenhäuser gedacht und 700 Millionen für die Kommunen.

Doch Linksfraktionschef Walter kam es so vor, als habe Dietmar Woidke »ins falsche Fach gegriffen und die Rede vom vorigen Jahr gehalten«. Der Ministerpräsident hätte klar sagen sollen, was eigentlich sein Plan sei. Stattdessen: »Nichts anderes als die üblichen Parolen, die üblichen Losungen.«

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