Gazakrieg für ein Drittel getöteter Journalisten verantwortlich

Laut Reporter ohne Grenzen ist 2023 die Zahl der Todesfälle trotz Nahost deutlich gesunken

In den vergangenen Wochen häufen sie sich wieder, die Nachrichten über getötete Journalist*innen. Denn seit dem Ausbruch des Gazakrieges am 7. Oktober sind 17 Medienschaffende bei der Ausübung ihres Jobs ums Leben gekommen, 16 von ihnen in Gaza und Libanon. Laut der Jahresbilanz der Pressefreiheit, die die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières, RSF) am Donnerstag veröffentlichte, machen die Todesfälle in Nahost somit ein Drittel der weltweit registrierten im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufs getöteten Korrespondenten, Pressefotografen, Kameraleute aus.

Insgesamt ist die Zahl der getöteten Journalist*innen in diesem Jahr allerdings drastisch zurückgegangen, von 61 im vergangenen auf 43 Fälle in diesem Jahr. Zuletzt wurden 2002 so wenige Reporter getötet. Auch die Anzahl der inhaftierten und entführten Medienschaffenden ist dieses Jahr gesunken. Die fünf gefährlichsten Länder für sie waren die palästinensischen Gebiete, Mexiko, Libanon, Afghanistan und Bangladesh.

Krieg in Nahost: »Eine Tragödie«

Seit dem Angriff der islamistischen Hamas-Miliz gegen Israel am 7. Oktober und dem Beginn des israelischen Vergeltungsschlages sind dem Bericht zufolge in den palästinensischen Gebieten mindestens 13 Medienschaffende »im Zuge oder im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden«. Sie alle kamen bei der israelischen Bombardierung des Gazastreifens ums Leben, heißt es darin weiter.

Im Süden des Libanon nahe der Grenze zu Israel kam der libanesische Fotojournalist Issam Abdallah bei mutmaßlich gezielten Angriffen der israelischen Armee ums Leben. Er hatte für die Nachrichtenagentur Reuters gearbeitet. Sechs Kolleginnen und Kollegen von Reuters, der AFP und Al-Jazeera wurden bei der Attacke verletzt. Die Fotojournalistin Christina Assi verlor ein Bein. Laut einer Untersuchung von RSF hatten die Medienschaffenden dort bereits seit mehr als einer Stunde gearbeitet und waren eindeutig als Pressevertreter zu erkennen. Zwei weitere libanesische Medienschaffende des Nachrichtensenders Al-Mayadeen, Farah Omar und Rabih alMimari, wurden am 21. November bei der israelischen Bombardierung der Stadt Tair Harfa, ebenfalls im libanesischen Süden, getötet.

In Israel wurde am 7. Oktober, dem Tag der Terrorattacken der Hamas, der israelische Fotojournalist Roee Idan ermordet. Er arbeitete für die Nachrichten-Webseite Ynet und hatte im Kibbuz Kfar Aza im Südwesten des Landes die Gräueltaten der Hamas dokumentiert.

Somit dürfte das israelische Militär für mindestens ein Drittel der weltweit bisher für 2023 gezählten Fälle getöteter Journalisten verantwortlich sein.

Laut der Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) kamen insgesamt in der Region seit dem 7. Oktober mindestens 63 Journalistinnen und Journalisten und Medienschaffende ums Leben - 56 Palästinenser, 4 Israelis, und 3 Libanesen. Bei den 17 von RSF aufgeführten Fällen handelt es sich ausschließlich um Personen, bei denen RSF »mit hinreichender Sicherheit feststellen konnte, dass ihr Tod mit ihrer journalistischen Arbeit zusammenhing«.

Mexiko: Platz zwei der unsichersten Länder

Auch wenn die Zahl der getöteten Medienschaffenden in Mexiko zuletzt drastisch zurückgegangen ist, liegt das Land nach Angaben von RSF mit vier Getöteten in diesem Jahr noch immer auf Platz zwei. Sie alle wurden zwischen Mai und Juli 2023 ermordet. Zuvor hatten sie jeweils zu organisierter Kriminalität recherchiert.

Die Chefredakteure Gerardo Torres Rentería (»Agencia Red Noticias«) and Nelson Matus Peña (»Lo Real de Guerrero«) wurden am 11. Mai und 15. Juli in Acapulco im südlichen Bundesstaat Guerrero getötet. Der Kolumnist des Radiosenders Stereo Luz FM, Marco Aurelio Ramírez Hernández, wurde am 23. Mai ermordet, Luis Martín Sánchez, Korrespondent der Zeitung »La Jornada«, am 8. Juli im Bundesstaat Nayarit tot aufgefunden.

Laut der RSF-Jahresbilanz wurden in Lateinamerika 2023 insgesamt sechs Medienschaffende getötet. Neben den vier Fällen in Mexiko wurde im Februar im Norden Kolumbiens Luis Gabriel Pereira ermordet – ein junger Reporter, der auf seiner Facebook-Seite Notiorense unter anderem über Verbrechen berichtete. In Paraguay fiel im Februar der Moderator von Radio Urundey FM, Alexánder Álvarez Ramírez, einem Anschlag zum Opfer.

Die Zahl inhaftierter Journalisten sinkt

Die Anzahl inhaftierter Medienschaffender ist 2023 leicht zurückgegangen. 2022 befanden sich 569 Journalisten in Gefangenschaft, in diesem Jahr waren es noch 521. Die Hälfte von ihnen, 264 Männer und Frauen, sind allein in China (einschließlich Hongkong), Myanmar, Belarus und Vietnam inhaftiert. »Jahr für Jahr behauptet China seinen Status als das Land, in dem das Regime die meisten Journalistinnen und Journalisten einsperren lässt«, heißt es im RSF-Bericht. Demnach sind dort insgesamt 121 Medienschaffende inhaftiert, darunter zwölf in Hongkong. Damit sitzt fast ein Viertel inhaftierten Journalist*innen in chinesischen Gefängnissen.

In Myanmar sind Ende 2023 immer noch 68 Medienschaffende in Haft, vor einem Jahr waren es 78. Die Hälfte von ihnen wartet noch auf einen Prozess, so Reporter ohne Grenzen. Auf Platz drei der Länder mit den meisten inhaftierten Journalist*innen folgt Belarus: Derzeit sind es 39, sieben mehr als Ende 2022.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.