• Berlin
  • Antidiskriminierungsgesetz

Erfolg im Plansche-Prozess: Land Berlin gibt Diskriminierung zu

Land Berlin erkennt die Diskriminierung auf dem Wasserspielplatz Plansche an

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn sich Männer an einem Ort oberkörperfrei aufhalten dürfen, Frauen aber nicht, dann ist das geschlechtsspezifische Diskriminierung. Das hat das Land Berlin vor dem Kammergericht anerkannt. Nach einem zweijährigen Rechtsstreit erzielt Gabrielle Lebreton im Plansche-Prozess damit einen gerichtlichen Erfolg. Das geht aus einer Pressemitteilung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hervor, die Lebreton bei der Klage unterstützt.

Alles fing im Juli 2021 auf der Plansche an, einem Wasserspielplatz im Plänterwald. Lebreton verbrachte dort den heißen Sommertag mit ihrem sechsjährigen Sohn, und ließ, wie so viele Erwachsene, die Sonne auf ihren freien Oberkörper scheinen. Damit hatte das Sicherheitspersonal ein Problem. Security-Männer forderten Lebreton auf, sich zu bedecken oder zu gehen, angeblich hätten sich andere Besucher über ihre Nacktheit beschwert. Als sich Lebreton weigerte, rief die Security die Polizei. Lebreton verließ daraufhin mit ihrem Kind den Spielplatz.

Daraufhin wandte sie sich an die Ombudsstelle der Berliner Justizverwaltung, mittlerweile angesiedelt bei der Sozialverwaltung. Diese Stelle wurde 2020 parallel zum Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) geschaffen als Unterstützungsangebot für Menschen, die sich gegen Diskriminierung durch das Land und seine Behörden wehren wollen. Weil sich keine außergerichtliche Lösung fand, stellte Lebreton eine Beschwerde nach dem LADG gegen das Land Berlin. Denn der Bezirk Treptow-Köpenick hatte als Betreiber der Plansche den Security-Dienst angestellt. Die Mitarbeiter*inenn handelten demnach im Auftrag des Landes.

In erster Instanz hielt das Berliner Landgericht ihre Beschwerde jedoch für unbegründet. Im September 2022 begründete es sein Urteil mit »geschlechtlichem Schamgefühl«: Das Bedürfnis, in der Öffentlichkeit keine Brüste zu sehen, sei gerechtfertigt. Lebretons Anwältin Leonie Thum war über diese Argumentation empört – schließlich sei es mit dieser Logik auch legitim, einem homosexuellen Paar das öffentliche Küssen zu untersagen, wenn sich Menschen davon in ihrem Schamgefühl verletzt fühlten. Thum und ihre Mandantin gingen in Berufung.

Mit Erfolg: »Vor dem Berliner Kammergericht erkennt das Land Berlin an, dass Frauen nicht schlechter behandelt werden dürfen als Männer, wenn sie sich oberkörperfrei in einem öffentlichen Bad sonnen«, heißt es in der Pressemitteilung der GFF von Dienstag. Das Kammergericht hat das Anerkenntnis in einem Teilurteil bestätigt.

Lebreton freut sich über das Einlenken. »Das Anerkenntnis zeigt, dass sich der Kampf gelohnt hat. Es war ein langer Weg und ich hoffe, dass ich anderen Betroffenen Mut gemacht habe«, wird sie in der Mitteilung zitiert. Sie betont, dass es ihr bei der Klage um ein grundfeministisches Anliegen ging: »Frauen haben genauso wie Männer das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Der weibliche Körper darf nicht weiter ohne unsere Zustimmung sexualisiert werden!«

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Das Land Berlin hat die Klageforderung nach Entschädigung anerkannt, will aber nur 750 Euro zahlen. Das liegt deutlich unter der von Lebreton geforderten Summe. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigungszahlung steht deshalb noch aus. Anwältin Thum erklärt, warum es Sanktionen braucht: »Eine Diskriminierung hinterlässt Narben, die nicht durch Geld verschwinden. Umso wichtiger sind Entschädigungszahlungen, die dafür sorgen, dass es in Zukunft gar nicht erst so weit kommt.« Die GFF hofft derweil, dass der Erfolg einen »Meilenstein für weitere Verfahren nach dem LADG« setzt. Es handelt sich um das erste LADG-Urteil.

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