The Gun Club: Sexbeat, go!

Entrückt und voll dabei: Der Sampler »The Task Has Overwhelmed Us« erinnert an The Gun Club

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
The Gun Club im Loft Berlin vor langer Zeit: Jeffrey Lee Pierce (li.) und Kid Congo Powers
The Gun Club im Loft Berlin vor langer Zeit: Jeffrey Lee Pierce (li.) und Kid Congo Powers

Eine Würdigung eines der großen (fast) Vergessenen der von Blues und Punk infizierten Sumpfmusik. Auf dem Sampler mit dem sehr schönen Titel »The Task Overwhelmed Us« spielen Musiker*innen, die die Musik des 1996 verstorbenen Sängers und Gitarristen Jeffrey Lee Pierce hörbar bewundern, seine Songs.

Pierce war Gründer und einziges konstantes Mitglied der Band The Gun Club. Das Debütalbum »Fire of Love« schürfte 1981 tief in der Musikgeschichte: Der Blues der 1930er klang immer wieder durch, in den Akkordfolgen, aber vor allem auch im Gestus der Musik. Aber eben, wie gesagt, zusammengeschmissen mit dem zeitgenössischen Postpunk der frühen Achtziger.

Einerseits sind die Musik und die Texte von Jeffrey Lee Pierce, wenn man so will, materialistisch gestimmt. Es geht um Körper, Zustände, Sex und Rausch. »They can throw themselves against the wall / But they creep for what they need / And they explode to the call / And then they move, move / Sex beat, go«, singt Pierce in »Sex Beat«, dem größten, na ja, Hit der Band. Körperliche Zustände rangieren in der Welt von Gun Club wesentlich höher als Ideen oder so etwas. »They’re stupid like I told ya / Very stupid like ya saw / Very stupid as the simple thought / Of ever thinking at all«.

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Zugleich aber wirken diese Songs immer wieder jenseitig, als würden sie aus einer Phantasiewelt emporsteigen, in der gesellschaftliche Regeln und Gepflogenheiten keine große Rolle spielen. Was ihnen etwas Entrücktes, Weltabgewandtes verleiht. Oder, wie Jeffrey Lee Pierce einmal in einem Interview dekretiert hat: »There is nothing as unreal as life.«

Die Songs auf »The Task Overwhelmed Us« bleiben, auch wenn sie abweichend arrangiert und von sehr eigenen Stimmen intoniert worden sind, dem oben skizzierten Geist oder auch Körper der Musik von The Gun Club und den Soloalben von Jeffrey Lee Pierce treu. Es geht einmal quer durchs Gesamtwerk. Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan legt einen schön-depressiven Aufschlag hin und besingt den »River of Sadness« im Song »Mother of Earth«. Es geht weiter mit naheliegenden Kandidat*innen, die auf einer ähnlichen Baustelle unterwegs sind oder waren. Nick Cave zum Beispiel (von The Birthday Party zu The Gun Club ist es nicht allzu weit) oder Mark Lanegan. Dazu kommen Künstler*innen, die mit Pierce befreundet waren wie Deborah Harry. Und eben welche, die man in diesem Zusammenhang nicht gleich vermutet hätte, wie eben Gahan oder auch der im Frühling dieses Jahres verstorbene Pop-Group-Gründer Mark Stewart.

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Trotzdem ergibt der Sampler ein homogenes Bild. Was allerdings fehlt, und das ist bei einer Würdigung durch Cover-Versionen, denen das Unmittelbare der Originale abgeht, auch kein Wunder, ist das Überschießende, Exzessive, das die Gun-Club- und Solo-Alben von Jeffrey Lee Pierce bestimmt hat. »The Task Overwhelmed Us« wirkt geradezu klassisch, wie eine nun gefahrlose Wiederaufführung.

Jeffrey Lee Pierce hingegen hat noch alles mitgenommen, Drogen, Depression, Alkoholismus. Seine Musik mag phantasmatisch und entrückt (und trotzdem geerdet in der Körperlichkeit) gewesen sein, also aus dem Reich des Imaginären kommend. Real sind Dauerrausch und der mit ihm einhergehende Verfall. Im Alter von 38 dann das Blutgerinnsel im Gehirn.

The Jeffrey Lee Pierce Sessions Project: »The Task Has Overwhelmed Us« (Glitterhouse / Indigo)

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