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Der Klimawandel nagt an den Seegrenzen
Koralleninseln sind nicht nur wichtige Lebensräume, sondern sind auch von geopolitischer Bedeutung
Korallen leiden ganz besonders unter den Folgen des Klimawandels. Deswegen ist nicht nur das berühmte Great Barrier Reef gefährdet. Auch ein Viertel der Koralleninseln Australiens ist in Gefahr, wie eine aktuelle Studie zeigt. Dies könnte ernste Auswirkungen auf die Seegrenzen des Landes haben und geopolitisch zum Problem werden.
Koralleninseln liegen meist nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Die Landmassen, die durch Sedimente aus den Kalkskeletten von Korallen, aus Muscheln und Schnecken gebildet werden, sind ähnlich wie die Korallen selbst anfällige Konstrukte. Doch Koralleninseln sind auch die Heimat von Millionen von Menschen. Sie sind von entscheidender ökologischer, wirtschaftlicher, sozialer und geopolitischer Bedeutung, vor allem für die kleineren Inselstaaten im Pazifik.
Die Eilande spielen aber auch aus rechtlichen Gründen eine wichtige Rolle für Länder mit Meeresküsten. »Koralleninseln unterstützen und erweitern die rechtlichen Seegerichtsbarkeiten der Küstenländer auf großflächige Meeresgebiete«, erklärte Tommy Fellowes von der University of Sydney.
Inseln drohen zu verschwinden
Auch sein Heimatland Australien ist auf seine Koralleninseln angewiesen. Mehrere Hundert liegen vor den Küsten des fünften Kontinents. 56 davon haben Fellowes und sein Team nun für eine Studie untersucht, die in der Fachzeitschrift »Science of the Total Environment« veröffentlicht wurde. »Wir haben zum ersten Mal die Risiken für Australiens Koralleninseln quantifiziert«, berichtete Fellowes. Die Inseln wurden in fünf Gefährdungskategorien eingeteilt, von geringem bis zu sehr hohem Risiko.
Dabei fanden die Forschenden heraus, dass sämtliche der untersuchten Inseln einem gewissen Grad an Klimarisiken ausgesetzt sind. Ein Viertel ist sogar in Gefahr, durch die Auswirkungen des Klimawandels völlig ausgelöscht zu werden. Vor allem drei kleine Koralleninseln in Westaustralien auf den Riffen Scott, Clerke und Imperieuse sind den Wissenschaftlern zufolge gefährdet.
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Fellowes erläutert, dass die tief liegenden Koralleninseln und die damit verbundenen Riffökosysteme gleich durch mehrere Folgen des Klimawandels bedroht sind: Darunter sind neben dem steigenden Meeresspiegel die höheren Meerestemperaturen selbst, die sich verstärkenden Stürme wie aber auch die Versauerung des Ozeans. Die Ergebnisse der Studie würden zeigen, dass dringender Handlungsbedarf bestehe, um die Inseln zu retten, sagte der Forscher. Viele der Inseln markieren und erweitern durch ihre Position die Grenzen von Australiens maritimem Hoheitsgebiet. Diese Seegebiete verfügen über kritische Ressourcen, einschließlich Fischerei und Mineralienexploration. Damit sind die Eilande wichtig für die lokalen Gemeinschaften, sie sind aber auch von geopolitischer und strategischer Bedeutung. Denn der Verlust der Inseln könnte möglicherweise Auswirkungen auf das maritime Kontrollgebiet Australiens haben.
Riffe sterben bei 1,5 Grad Erwärmung
Laut Frances Anggadi, einer Rechtsexpertin an der University of Wollongong, wird bei Koralleninseln die äußere Niedrigwasserlinie des Riffs als rechtliche Grundlage für die Einrichtung von Meereszonen verwendet. Bereits anlässlich einer früheren Studie der University of Sydney sagte sie, dass der potenzielle Verlust von Meeresgebieten aufgrund von Änderungen dieser Linie wegen des Klimawandels »ein ernstes Problem für Nationen wie Kiribati, aber auch für größere Länder wie Australien« darstellen könne. Denn diese seien auf Riffe und Inseln angewiesen, um ihre Ansprüche aufrechtzuerhalten. Im australischen Fall grenzen die Inseln etwa 15 Prozent oder 1,2 Millionen Quadratkilometer der australischen Meereszone im Indischen und Pazifischen Ozean sowie im Norden in der Torres-Straße ab.
Der Klimawandel macht aber nicht nur den australischen Koralleninseln zu schaffen. Auch die Korallenriffe selbst leiden unter den Folgen der Erderwärmung. Nachdem die Meerestemperaturen als Folge des Klimawandels weltweit gestiegen sind, sind Schätzungen zufolge bereits rund 50 Prozent der Riffe abgestorben. Zu hohe Meerestemperaturen führen zu Korallenbleichen, zu lange andauernde oder zu häufige Bleichen wiederum zum kompletten Absterben der Korallen. Schätzungen gehen davon aus, dass selbst bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau 70 bis 90 Prozent der weltweiten Korallen verschwinden werden. Die Gesundheit des größten Korallenriffs der Erde, des australischen Great Barrier Reef, ist beispielsweise seit Jahren angeschlagen.
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