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Schließung des HIS: Nach Reemtsma die Sintflut
Das Hamburger Institut für Sozialforschung soll nach dem Willen des Gründers Jan Philipp Reemtsma schließen
Wer sich an die 1990er Jahre erinnert, der erinnert auch die »Wehrmachtsausstellung«, die der neuerdings gesamtdeutschen Bevölkerung die Gewalttaten der Wehrmacht in Osteuropa vor Augen führte. Sage und schreibe erst 50 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion und wenige Jahre nach deren Zusammenbruch war in 34 Städten zu besichtigen, dass das nationalsozialistische Deutschland im Osten einen Vernichtungskrieg geführt hatte. Geplant und durchgeführt hatte diesen erinnerungspolitischen Meilenstein das Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) im Besitz von Jan Philipp Reemtsma, dem Erben jenes Zigarettenfabrikanten, der in höchsten nationalsozialistischen Kreisen verkehrt war und unter Nutzung von Zwangsarbeit ein gigantisches Vermögen gemacht hatte. Völlig zu Recht wollte Reemtsma »die Aufklärung, die er angesichts der Nazi-Verbrechen einforderte, nicht hierauf reduziert wissen, als ginge es nur um das Motiv einer persönlichen Wiedergutmachung« (»Frankfurter Rundschau«).
So weit, so sinnvoll. Sprung in die Gegenwart: Im 40. Bestehensjahr des HIS erklärte Jan Philipp Reemtsma jüngst dessen Schließung zu 2028. Dann nämlich möchte er in Rente gehen – und die durch seine Person gewährleistete Selbstbestimmung über die Agenda des HIS könne von »einer anderen Institution oder einem von dieser eingesetzten Kontrollgremium« keinesfalls erhalten werden. Der »Spiegel« gibt den gesellschaftskritisch engagierten Millionenerbe mit der (vage beleidigt klingenden) Äußerung wieder, es sei nicht seine Intention gewesen, »ein beliebiges sozialwissenschaftliches Institut unter Leitung oder Observanz irgendeiner anderen Forschungseinrichtung zu gründen«. Offenbar kann Reemtsma sich schlicht nicht vorstellen, dass es noch andere Personen gibt, die ernsthaft und integer kritische Wissenschaft betreiben wollen. Vielleicht wäre hier ja sogar eine Flinta*-Person denkbar gewesen, vielleicht sogar mit schärferem Blick auf die Gegenwart als ein 65-jähriger weißer Großbürger?
Durch seine autokratische Haltung wird die persönliche Dimension, auf die Reemtsma die Arbeit seines Instituts zurecht nicht reduziert sehen wollte, zu guter Letzt doch bestimmend. Die Finanzierung durch Reemtsma verschaffe dem Institut, so steht es in der »FAZ«, »Unabhängigkeit von den schnellen Zyklen der öffentlich finanzierten Projektforschung«. Was aber kann Unabhängigkeit in Bezug auf eine Forschungseinrichtung bedeuten, über die eine Einzelperson wie über ihr Privateigentum verfügt? Finanzielle Abhängigkeiten habe das Institut nicht, schreibt die »Frankfurter Rundschau« – aber die finanzierten Projekte und Wissenschaftler*innen sind vollständig abhängig von Reemtsma!
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Neben der Egomanie eines wichtigen deutschen Mannes zeigt sich in der Angelegenheit übrigens auch die Misere der Wissenschaft in Deutschland: Forschende haben die Wahl zwischen Drittmittel oder Mäzenatentum. Klingt fast wie Regen oder Traufe.
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