Satt im Unterricht

Volksinitiative fordert kostenloses Mittagessen für alle Grundschüler

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.

Auf den Tag genau acht Monate vor der Landtagswahl am 22. September startete am Montag in Brandenburg die Volksinitiative »Schule satt«. Sie verfolgt das Ziel, allen Kindern von der 1. bis zur 6. Klasse das Schulessen kostenlos anzubieten. Ausdrücklich wird darauf verzichtet, die Einkommen der Eltern zu berücksichtigen.

Als politische Partei hat sich einzig Die Linke den Initiatoren hinzugesellt, gleichwohl er alle demokratischen Parteien einlade, sich an der Volksinitiative zu beteiligen, sagte der Linke-Landesvorsitzende Sebastian Walter, als er am Montag das Anliegen im Potsdamer Landtagsschloss vorstellte. Ihm zur Seite saßen Vertreter des Paritätischen Landesverbandes, des Kita-Elternbeirates Potsdam, des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter sowie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Ihre Unterstützung für das Vorhaben bekunden Repräsentanten der Arbeiterwohlfahrt, der Volkssolidarität, der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der Landesarbeitsgemeinschaft Sozialarbeit an Schulen, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und andere.

Anliegen der Volksinitiative ist es laut Sebastian Walter, mithilfe eines der größten Bündnisse in einer »grundlegenden Gerechtigkeitsfrage« eine Antwort zu finden. Ein kostendeckendes gesundes Schulessen koste inzwischen zwischen fünf und sechs Euro pro Tag. Dies könnte sich ein großer Teil der Familien schlicht nicht mehr leisten. Der Schultag dehne sich für Kinder nicht selten über acht oder auch zehn Stunden aus. Ein warmes Mittagessen sei unabdingbar. Walter berichtete, dass Eltern »in Größenordnungen« ihre Kinder vom Schulessen abmelden. Allen rund 140 000 Kindern in den brandenburgischen Grundschulen das Essen zu bezahlen, würde rund 100 Millionen Euro im Jahr kosten. Das Geld müsse nicht unbedingt komplett aus dem Landeshaushalt stammen, sagte Walter. Es gelte, den Bund und die Kommunen finanziell zu beteiligen. Und ja, so bestätigte er: »Wir wollen im Wahljahr Druck aufbauen.« Brandenburg würde sich zu einer Maßnahme entschließen, die in Berlin schon lange Praxis sei. Für jedes Schulessen zahle der Berliner Senat 4,36 Euro.

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Tatsächlich besteht schon heute die Möglichkeit, Kinder bei sozialer Bedürftigkeit kostenloses Essen in der Schule zu ermöglichen. Die Bundesregierung stellt dafür Mittel aus dem Programm »Bildung und Teilhabe« bereit. Doch in diesem Zusammenhang beklagte Jane Bareth vom Paritätischen Landesverband am Montag eine erlebte Diskriminierung für Menschen, die sich für die Gewährung der Vergünstigung als arm zu erkennen geben müssten. Sie rügte außerdem überlange Bearbeitungszeiten. Aus Scham würden ihr zufolge rund 60 Prozent der Bedürftigen die ihnen zustehenden Leistungen nicht in Anspruch nehmen. Wenn Kinder in der Schlange bei der Essensausgabe anstehen, sollte es keine Unterscheidung in Arm und Reich geben dürfen.

Den Aufwand, ein kostenloses Essen für das eigene Kind zu beantragen, hält Birgit Uhlworm von der Selbsthilfevereinigung alleinerziehender Mütter und Väter für unvertretbar hoch. 80 Prozent der Alleinerziehenden seien berufstätig. Sie hätten kaum Zeit, diese bürokratische Hürde zu überwinden. Neben den Kosten sind ihren Worten zufolge auch die Umstände und die Atmosphäre der Mahlzeiten in der Schule nicht immer attraktiv. Oft werde im Keller gegessen und die Kinder hätten darüber hinaus zu wenig Zeit für ihr Mittagsmahl.

Auch für Robert Witzsche vom Kita-Elternbeirat Potsdam hat die Frage nach Arm oder Reich nichts dabei zu suchen, wenn es darum gehe, ein Grundbedürfnis zu stillen. Alle Kinder sollten umsonst essen dürfen, egal, ob sie aus einem armen oder einem wohlhabenden Elternhaus stammen.

»Ein Drittel der Brandenburger sind Geringverdiener«, gab Mike Döring, Bezirksgeschäftsführer der Gewerkschaft Verdi zu bedenken. Der rot-schwarz-grünen Landesregierung warf er vor, durch die im Koalitionsvertrag verheißene, aber nicht realisierte Klausel zur Zahlung von Tariflöhnen selbst für geringe Einkommen zu sorgen. Da sei es nur recht und billig, die Kinder das nicht büßen zu lassen, die sich am wenigsten wehren könnten.

Die Volksinitiative hat jetzt vier Monate Zeit, die für einen Erfolg notwendigen 20 000 Unterschriften zu sammeln. Die Initiatoren glauben, mit ihren Bemühungen rasch durchzudringen und dieses Quorum schon weit früher zu erreichen als in vier Monaten. Dann müsste sich der Landtag mit dem Thema auseinandersetzen. Wird der Wunsch der Volksinitiative abgelehnt, steht der Weg für ein Volksbegehren offen. Dabei gilt es, mindestens 80 000 gültige Unterschriften vorzulegen. Diese Unterschriften dürfen dann aber in Brandenburg nicht mehr auf der Straße gesammelt werden, wie es bei einer Volksinitiative erlaubt ist. Die Bürger müssen sich bei einem Volksbegehren in eine Amtsstube begeben und die Unterschrift dort leisten. Ist aber auch die Hürde von 80 000 Unterschriften gemeistert und erweist sich das Parlament erneut als hartleibig, bleibt als letztes Mittel die Volksabstimmung.

»Unsere Partei hat sich in Brandenburg schon mehrfach für die Einführung eines kostenlosen Mittagessens in Schulen eingesetzt, weil wir wissen, dass diese Maßnahme wirklich hilft«, erinnerte Linksfraktionschef Walter. »Leider bis heute erfolglos. Dabei tragen auch in Brandenburg Familien seit Monaten die höchste Inflationsbelastung. Ihre Einkommen reichen oft nicht mehr, um die gestiegenen Lebenskosten dauerhaft zu decken, weil Rücklagen fehlen.« Walter warnte: »Mit der Wiedereinführung des Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent am 1. Januar werden die Preise für das Schulessen noch weiter steigen.« Die Landesregierung müsse handeln. »Dafür gehen wir in den nächsten Monaten in Schulen, Kitas, Veranstaltungen und auf die Straßen.«

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