- Politik
- Ost-Renten
Härtefallfonds für ostdeutsche Rentner schließt
163 000 Menschen mit niedrigen Altersbezügen beantragten Mittel, nur 13 500 bekamen bereits Geld
Erst vor einem Jahr hatten sich Bund und Länder grundsätzlich auf die Einrichtung eines Härtefallfonds geeinigt, aus dem Menschen Mittel beantragen konnten, deren in der DDR erworbene betriebliche und sonstige Rentenansprüche im Zuge des Beitritts zur Bundesrepublik »verloren« gingen. Beziehungsweise es wurde »vergessen«, sie ins gesamtdeutsche Rentensystem zu überführen.
Bereits zum 31. Januar endet nun die Frist, bis zu der Berechtigte einen Antrag auf die bescheidene Summe von 2500 Euro stellen können, die in einem Teil der ostdeutschen Länder aus Landesmitteln auf 5000 Euro verdoppelt wird. Anträge durften indes nur Menschen stellen, die Alterseinkünfte auf Grundsicherungsniveau beziehen. Zudem sollten aus dem Fonds auch bedürftige Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge aus der Ex-Sowjetunion bedacht werden.
Nur wenige Berechtigte haben Geld erhalten
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Bisher bekam indes nur ein kleiner Teil der Berechtigten Geld. Mehr als 163 000 Menschen haben einen Antrag gestellt, wie das Bundessozialministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur kurz vor Ablauf der Frist mitteilte. Nur rund 13 500 Personen haben demnach bereits Geld bekommen.
Zu den Antragsberechtigten gehören Ostdeutsche aus 17 Berufsgruppen, die zu DDR-Zeiten Zusatzrentenansprüche erworben haben, darunter Beschäftigte von Reichsbahn oder Post, Bergleute und Balletttänzerinnen. Außerdem Frauen, die zu DDR-Zeiten geschieden wurden und die gegenüber in der Bundesrepublik Geschiedenen gravierende Nachteile beim Versorgungsausgleich haben.
Die Bundesregierung ging zum Start des Fonds im Januar 2023 von 180 000 bis 190 000 Menschen mit berechtigten Ansprüchen aus, darunter 50 000 bis 70 000 ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner. Eingegangen seien bis zum 26. Januar dieses Jahres 163 441 Anträge, teilte das Ministerium mit. Abschließend bearbeitet seien 48 543 Anträge, von denen aber nur 13 483 bewilligt worden seien.
Sachsen und Brandenburg beteiligen sich nicht
Der Bund hatte für den Fonds 500 Millionen Euro eingeplant, die Länder konnten sich beteiligen, mussten es aber nicht. Da die Regierungen von Sachsen und Brandenburg entschieden hatten, keine Landesmittel zur Verfügung zu stellen, erhalten Antragsteller dort höchstens eine Einmalzahlung von 2500 Euro. Thüringen dagegen beteiligt sich am Fonds, weshalb Berechtigte dort 5000 Euro erhalten.
Ausgezahlt wurden laut Bundesministerium bisher rund 35,7 Millionen Euro. Das Ministerium erwartet, dass Geld übrig bleibt, das dann zurück an die Staatskasse geht: »Ausgehend von den bei der Geschäftsstelle der Stiftung Härtefallfonds zum gegenwärtigen Zeitpunkt eingegangenen und noch nicht abschließend bearbeiteten Anträgen wird das Stiftungsvermögen voraussichtlich nicht ausgeschöpft«, hieß es. Eine weitere Verlängerung der bereits um mehrere Monate ausgedehnten Antragsfrist sei nicht geplant.
Linke-Bundesgeschäftsführer Ates Gürpinar kritisierte, dass im Fonds Geld übrig bleibe, zeige den Konstruktionsfehler des Fonds. Er forderte am Montag in Berlin einerseits eine weitere Verlängerung der Antragsfrist. Zudem sollten alle Menschen mit möglichen Ansprüchen angeschrieben werden, denn viele wüssten gar nichts von seiner Existenz. Der Fonds sei in seiner jetzigen Form eine »Alibi-Veranstaltung«, weil zu wenige Menschen zu wenig Geld bekämen. »Der Fonds sollte alte Ungerechtigkeiten abmildern, schafft aber neue«, konstatierte Gürpinar. Die nicht ausgeschöpften Mittel in die Staatskasse zurückzuholen, sei »erneuter Rentenraub«. Ohnehin habe die Politik jahrzehntelang »auf Zeit gespielt« und auf eine »biologische Lösung« gehofft.
Renten in Höhe von 40 Milliarden Euro vorenthalten
Tatsächlich ist die Mehrheit derer, denen DDR-Rentenansprüche aberkannt wurden, bereits verstorben. Anfang vergangenen Jahres lebten nach Berechnungen der Linksfraktion im Bundestag noch rund 500 000 Ostdeutsche, die Anwartschaften verloren haben. Von ihnen konnte sich aber nur jeder Zehnte Hoffnungen auf die kleine Einmalzahlung machen. Die Linke im Bundestag hatte für alle eine Entschädigung in fünfstelliger Höhe gefordert.
Nach Berechnungen des »Runden Tisches Rentengerechtigkeit«, der seit 2017 die Ansprüche der betroffenen Berufs- und Personengruppen einfordert, wurden ostdeutschen Rentnerinnen und Rentnern seit 1991 Ansprüche in Höhe von 40 Milliarden Euro vorenthalten. Der Runde Tisch hatte die Umwandlung des Härtefallfonds in einen »Gerechtigkeitsfonds« für alle Betroffenen verlangt. Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer hatte das Gremium aufgefordert, sich für die Abschaffung der Ausschlusskriterien im Härtefallfonds einzusetzen. Zudem sollten sie sich dafür stark machen, dass der Bund mindestens eine Milliarde statt 500 Millionen Euro bereitstellt. Die Appelle verhallten bekanntlich ungehört.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.