Keine Martin-Sellner-Show im Funkloch

Österreichischer Rechter inszeniert Einreise nach Deutschland

Ein bisschen dürfte sich Martin Sellner am Montagabend geärgert haben. Er hatte alles so gut vorbereitet, sich gerade kurz vor der deutschen Grenze mit Kamerad*innen getroffen – sein Livestream lief, er rollte auf die Grenze zu. Und dann: Funkloch. Sellners Anhänger blickten minutenlang auf einen schwarzen Bildschirm, bis ein Gehilfe von Sellner im Bild erschien, der noch in Österreich vor der Grenze ausgestiegen war. Wirklich aufklären, ob und wie Sellner die Grenze überquert hatte, konnte dieser dann erst mal nicht. Kurzvideos eines anderen extrem rechten Videoaktivisten brachten ein wenig Licht ins Dunkel: Der Martin wird von der Polizei kontrolliert.

Aber der Reihe nach. Vor rund einer Woche gab es erste Medienberichte, das Bundesinnenministerium prüfe, ein Einreiseverbot gegen Martin Sellner zu verhängen, den Hauptredner des durch »Correctiv« aufgedeckten rechten Geheimtreffens von Potsdam. Trotz Freizügigkeit in der EU ist das möglich, wenn die Einreise einer Person die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gefährden kann. Die Bundesrepublik nutzte dieses Mittel zuletzt gegen eine extrem rechte Aktivistin aus Spanien und einen Islamhasser aus Dänemark, der eine öffentliche Koran-Verbrennung in Berlin-Neukölln angekündigt hatte. Martin Sellner selbst, war in Großbritannien, als es noch zur EU gehörte, zweimal bei der Einreise abgewiesen worden.

Am Wochenende berichteten dann »Nius«, das Portal des ehemaligen »Bild«-Chefredakteurs Julian Reichelt und der »Spiegel« darüber, dass Sellner bei Einreise in die Bundesrepublik die Abschiebung drohe. Ihm sei »die Einreise gem. Paragraf 6 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU zu verweigern«, heißt es in einer E-Mail der Bundespolizei, von der »Nius« einen Auszug veröffentlichte. Darin heißt es weiter, es bestehe ein »Weiterreisevorbehalt«, das Präsidium der Bundespolizei müsse zwingend kontaktiert werden. Allerdings bezieht sich die Mail auf eine nicht näher genannte Versammlung in Gera und einen möglichen Auftritt Sellners dort als Redner.

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Die Meldung über die eigene Einreisesperre nahm Martin Sellner mit großem Vergnügen auf und nutzte sie zur Selbstinszenierung. Über seinen Kanal beim Messengerdienst Telegram verbreitete er Videos, die ihn auf einem Spielplatz und mit Holzspielzeug für seinen Sohn zeigten. Die wenig subtile Botschaft: So ein harmloser junger Familienvater! In den Videos erklärte er dazu, in einem Passauer Café Kuchen essen zu wollen; er werde am späten Montagnachmittag die österreichisch-deutsche Grenze übertreten.

Sellners Kalkül: die Bundesrepublik zu blamieren. Wenn er abgewiesen wird, zeige das, so der extrem rechte Influencer selbst, dass »Pushbacks« und effektive Grenzsicherung möglich seien. Für eine juristische Auseinandersetzung hätte sich Sellner bei einem Einreiseverbot außerdem in eine gute Position gebracht.

Am Montagabend landete Martin Sellner dann, ohne dass es 15 000 Menschen im Livestream verfolgen konnten, an der Grenze in einer Polizeikontrolle. Sellner wurde zum Zweck seiner Einreise befragt – und konnte dann passieren. Der Mediengruppe Bayern teilte ein Bundespolizist mit, dass man die Einreisegründe Sellners hinterfragt, aber keine Anzeichen gefunden habe, dass er eine Gefahr darstelle.

Sellner reiste begleitet von einigen begeisterten Anhänger*innen nach Passau. Das Café Greindl, dass er eigentlich besuchen wollte, konnte er aber nicht aufsuchen. Der Betreiber hatte dem extrem rechten Kader im Vorfeld ein Hausverbot ausgesprochen und sich via Instagram von rechtem Gedankengut distanziert. Im Netz ist das Café seitdem Zielscheibe für abfällige Kommentare und negative Bewertungen durch die Anhängerschaft Martin Sellners. Ungesehen blieben die Rechten in Passau nicht. Die Antifa-Gruppe »NullAcht51« erklärte gegenüber dem »nd«, Sellner habe »nicht die Show bekommen, die er wollte«. Es habe keine Bilder in Handschellen gegeben, antifaschistischer Protest sei schnell vor Ort gewesen und Sellner samt Anhängerschaft seien aus einem weiteren Café geflogen. Zurück blieben nur »ein Video allein im Dunkeln, ein Bannerfoto irgendwo im Nirgendwo« und »schnell flüchtende« Aktivist*innen der Identitären Bewegung.

Die Selbstinszenierung gelang Sellner also nur in Teilen. Neben Antifaschist*innen dürfte das Funkloch im Grenzgebiet seine Show am stärksten gestört haben. Abzuwarten bleibt, wie die Behörden in Zukunft agieren, etwa wenn er als Redner zu Vorträgen und Demonstrationen eingeladen wird.

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