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Fußball: Die Angriffe auf Schiedsrichter werden heftiger
Verbale und körperliche Gewalt gegen Unparteiische: Der Profifußball und Eltern als schlechte Vorbilder
Ende Januar zog der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein Fazit zum »Jahr der Schiedsrichter«. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass viele Menschen nichts von dessen Existenz gewusst haben – es gab Positives zu vermelden. So ist die Zahl der aktiven Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter zwischen 2022 und 2023 um 6,6 Prozent gestiegen. Das bedeutet eine Trendumkehr, schließlich waren die Zahlen in den 20 Jahren zuvor immer rückläufig. Der Anteil der Schiedsrichterinnen ist dabei trotz des Anstiegs um 14 Prozent nach wie vor lächerlich gering. 2023 waren nur 4,3 Prozent der Unparteiischen weiblich. Mit dem Slogan »Für mehr Frauen in Führungspositionen« hatte der DFB während der Kampagne auch gezielt Frauen angesprochen.
Der dezente Aufschwung ändert auch wenig daran, dass das Schiedsrichterwesen ein großes Problem hat: Statt 70 000 wie vor zehn Jahren gibt es nur noch gut 50 000 Aktive. Ein dramatischer Rückgang, der DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann ein »Versprechen« abrang: »Das Ende des Jahres der Schiris bedeutet nicht das Ende unseres Engagements.«
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Ehrenamtliches Engagement – ein solches ist es, wenn man für ein paar Euro Benzingeld bei Wind und Wetter am Sonntagmorgen ein Jugendspiel pfeift – ist in allen gesellschaftlichen Bereichen auf dem Rückzug. Dennoch geht man nicht nur beim DFB davon aus, dass der Rückgang der Aktiven auch spezifischere Gründe hat: von wüsten Beschimpfungen vonseiten der Zuschauer über das Verhalten der Spieler auf dem Platz bis hin zu tätlichen Übergriffen auf Schiedsrichter reichen die Klagen an der Basis. Wenn Zimmermann wieder betonte, »besonders die Vereine« hätten »eine Verantwortung, neue Schiedsrichter zu gewinnen und Aktive zu binden«, wirkt das auf manchen Klubvertreter so, als delegiere der Verband damit seine eigene Verantwortung. Wenn sie potenzielle Referees ansprechen, winken die meisten ab, heißt es. Immer wieder höre man die gleichen sechs Wörter: »Das tue ich mir nicht an.«
Tatsächlich klagen Referees über Respektlosigkeiten bis hin zu Morddrohungen. So drohte in Frankfurt ein Vater bei einem Jugend-Pokalfinale einem Schiedsrichter, ihn zu köpfen. Der Referee war 15 Jahre alt. Meist passieren solche Vorfälle im Amateur- und Jugendfußball – aber nicht nur. So wurde Schiedsrichter Nicolas Winter im April 2023 in der Halbzeit des Drittligaspiels zwischen dem FSV Zwickau und Rot-Weiss Essen mit Bier übergossen. Der Täter saß auf den teuren Plätzen und war Sponsor des Vereins. In der Türkei war es Vereinspräsident Faruk Koca höchstselbst, der Schiedsrichter Halil Umut Meler nach dem 1:1 seines Klubs Anakragücü gegen Rezispor niederschlug. Dass Offizielle vielerorts den Referee auf dem Gang in die Kabine anbrüllen, erscheint da schon fast als Kavaliersdelikt.
Laut DFB gab es in der Spielzeit 2021/2022 rund 2400 Delikte gegen Schiedsrichter. Im gleichen Zeitraum mussten deutschlandweit 911 Spiele nach Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen abgebrochen werden. Das sind zwar so viele wie noch nie. Die Zahlen besagen aber auch, dass von 1400 Spielen nur eines abgebrochen werden muss. Es gibt deshalb auch in Schiedsrichterkreisen Stimmen, die davor warnen zu dramatisieren. »Glücklicherweise gehen ja doch fast alle Spiele ohne außergewöhnliche Konflikte über die Bühne«, berichtet Marvin Schories. Der Schiedsrichterobmann des Kreises Harburg fungiert auch als Konfliktlotse im Niedersächsischen Fußballverband und hält nichts von einem »Früher war alles besser«-Tenor. »Was mir an der Entwicklung Sorgen macht, ist nicht die Quantität der Vorfälle, sondern deren Heftigkeit.« Dass Ereignisse wie die von Zwickau in den Boulevardblättern über Wochen thematisiert würden, erzeuge aber ein schiefes Bild in der öffentlichen Wahrnehmung. Dass verbale Respektlosigkeiten zunehmen, findet Schories aber auch.
Im Jugendbereich spielt gerade die »Generation Elterntaxi«. Wer sein 13-jähriges Kind 400 Meter zur Schule fährt, findet es auch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn der Kleine nach einem Foul verwarnt wird. Permanent vor sich hinmeckernde Eltern sind für viele Referees das größte Problem. Neben Spielern, die jede noch so richtige und eindeutige Entscheidung theatralisch anzweifeln und den Unparteiischen umringen. Auch hier ist der Profifußball ein ganz schlechtes Vorbild.
Das immerhin scheinen mittlerweile alle erkannt zu haben. In den Landesverbänden wird den Jugendtrainern schon früh ans Herz gelegt, ihren Spielern beizubringen, dass Pfiffe keine Diskussionsgrundlage sondern Entscheidungen sind. Das zu vermitteln, klappt offenbar besser als im Profifußball, wo Millionen Fernsehzuschauer jedes Wochenende beobachten können, wie Spieler Elfmeter schinden wollen und zu zehnt den Referee belagern. So war es kein Zufall, dass der DFB das »Jahr der Schiedsrichter« mit einer Aktion eingeleitet hatte, an der zwei Profis teilnahmen. Der Freiburger Nils Petersen und Hoffenheims Anton Stach fungierten als Schiedsrichter einer Bezirksligapartie im rheinhessischen Nierstein und gaben danach zu Protokoll, sie wüssten nun mehr denn je, was für eine schwere Aufgabe die Unparteiischen hätten.
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