- Politik
- Rassismus
2023 mehr Sammelabschiebungen
Polizei mietet immer öfter ganze Flugzeuge für Abschiebungen an
Seit mehreren Jahren dokumentiert die antirassistische Gruppe »No Border Assembly« Abschiebungen aus Deutschland. Ihre Arbeitsgruppe »Deportation Alarm« veröffentlicht anstehende Termine von Sammelabschiebungen und recherchiert, wann und mit welcher Personenzahl die Abschiebungen tatsächlich stattgefunden haben. Das Projekt ist entstanden, nachdem sich die Bundesregierung 2020 geweigert hat, der Öffentlichkeit mitzuteilen, mit welchen Fluggesellschaften Abschiebeflüge durchgeführt werden.
Begründet hat die Bundesregierung die Informationszurückhaltung mit der Gefahr, »dass diese Unternehmen öffentlicher Kritik ausgesetzt werden und in der Folge für die Beförderung von ausreisepflichtigen Personen in die Heimatländer nicht mehr zur Verfügung stehen. Damit werden Rückführungen weiter erschwert oder sogar unmöglich gemacht, so dass staatliche Interessen an der Ausführung des Aufenthaltsgesetzes negativ beeinträchtigt werden.«
Nun dokumentiert also »Deportation Alarm« die Abschiebungen, und die Gruppe macht das offenbar ziemlich akkurat. »Deportation Alarm« identifiziert Abschiebeflüge mithilfe öffentlich verfügbarer Daten und eines Algorithmus zur Mustererkennung. 2021 hat das in 99,03 Prozent der dokumentierten Fälle geklappt, wie ein Abgleich mit den Daten aus Kleinen Anfragen im Bundestag ergab.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Am Montag hat »Deportation Alarm« seine Zahlen für 2023 veröffentlicht. Die Gruppe stellt einen »drastischen Anstieg von Sammelabschiebungen« fest. Im vergangenen Jahr habe man 220 sogenannte Charterabschiebungen gezählt. Dabei mietet die Polizei jeweils ein ganzes Flugzeug für Abschiebungen. In der Regel handelt es sich hierbei um Massenabschiebungen; so wurden mit einem Flug im letzten Jahr 119 Menschen abgeschoben. In anderen Fällen werden Flugzeuge aber auch angemietet, um wenige Menschen außer Landes zu schaffen. »Deportation Alarm« geht von mehr als 50 000 Euro Kosten pro Flug aus.
Die antirassistische Gruppe kritisiert auch die Umstände der Abschiebungen. Jedem Flug gingen, »nächtliche Polizeirazzien in ganz Deutschland« voraus. Meist mitten in der Nacht würden Wohnungstüren aufgebrochen und Menschen gewaltsam zum Flughafen gebracht. Dort werden sie dann in Flugzeuge verfrachtet und noch am selben Tag abgeschoben. »Deportation Alarm« kritisiert: »Abschiebungen und die vorausgehenden Polizeirazzien sind eine grausame und unmenschliche Praxis, die sofort gestoppt werden muss!«
Die Gruppe erklärt, dass jede einzelne Abschiebung an sich schon grausam sei, Betroffene allerdings noch von zusätzlichen Verletzungen ihrer Menschenrechte und ihrer Würde berichteten. Polizeibeamte setzten körperliche Gewalt ein, Zimmer anderer Bewohner*innen von Massenunterkünften würden illegal betreten, es bliebe kaum Zeit zum Packen, außerdem würden die Betroffenen von Freund*innen und Familie getrennt.
Für 2024 befürchtet »No Border Assembly« einen weiteren Anstieg der Zahl von Abschiebungen. Das »Rückführungsverbesserungsgesetz« mache dies möglich. Mit mehr Abschiebungen gingen auch mehr »Verletzungen der Menschenrechte und der Würde der Betroffenen« einher, so die Sorge der Gruppe. Sie fordert stattdessen, rassistische Gesetze abzuschaffen und reelle Chancen für Menschen, ihren Aufenthalt zu legalisieren. Gegen die »unmenschliche und rassistische Abschiebepraxis« solle man aufstehen und aktiv werden.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.