Opa Waldemar Baerbock als Souffleur der Außenministerin?

Dass Annalena Baerbocks Großvater ein Nazi war, ist bekannt – aber ein strammer noch dazu, kam erst jetzt heraus

  • Stefan Berkholz
  • Lesedauer: 5 Min.

Die häufigen Versprecher von Annalena Baerbock waren schon öfters Anlass für Lästereien: ob sie im Januar 2022 in der Pressekonferenz mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow »ein verlächeliches Russland« wünscht und knapp an der »Fressepreiheit« vorbeischlittert; ob sie im Februar 2022 noch vor Kriegsbeginn in der Ostukraine von »gefanzerten Pahrzeugen« spricht; ob aus präzedenzlos ein »präsidentslos« wird …

Lachsalven, Hohn und Spott wie sie einst Bundespräsident Heinrich Lübke erfuhr, fegen heutzutage durchs Internet, nur: Das zweite Staatsoberhaupt der Bundesrepublik war zur Zeit seiner sprachlichen Ausrutscher krank und auf dem Weg in die Demenz. Die Außenministerin aber? Ein Fall für die Psycholinguistik.

Zudem haben ihr Korrekturen im eigenen Lebenslauf den Ruf einer Hochstaplerin eingebracht. Und die zahlreichen Plagiate in ihrem im Wahlkampfjahr 2021 erschienenen Buch »Jetzt. Wie wir unser Land verändern« (Ullstein) haben das Image der Grünen-Politikerin auch nicht befördert, sondern eher beschädigt.

Nun erfahren wir erstmals Genaueres über ihren Opa Waldemar Baerbock – und können über Abgründe im Unterbewusstsein der Ministerin spekulieren. Verheimlicht hatte sie ihren Opa und seine Soldatenzeit unter Hitler nicht. Im Gegenteil: Mit ihm und seinem Leben als Soldat hat sie in der Vergangenheit wiederholt Geschichte veranschaulichen wollen.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Dass Waldemar Baerbock »Wehrmachtsoffizier der Flakinstandsetzung (mot) 3 XI« war, tippte seine Enkelin in ihrem zusammengestoppelten Buch an, das ihre politische Agenda darbieten sollte. Neu für das geneigte Publikum sind nun Details aus dessen Wehrmachtsakte, die neugierige Journalisten der »Bunten« aufgestöbert haben. Opa Waldemar wurde 1941 von seinem Vorgesetzten als »diensteifriger Soldat« gekürt, erfährt man, zudem heißt es, dass er »vollkommen auf dem Boden des Nationalsozialismus« gestanden habe.

1944 sollte Waldemar Baerbock das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern verliehen bekommen. Unter Nazis galt dies als hohe Auszeichnung für »besondere Verdienste bei Einsatz unter feindlicher Waffenwirkung oder für besondere Verdienste in der militärischen Kriegsführung«. In Waldemars Akte finden sich dazu diese Prädikate: »ausgesprochener Praktiker mit viel Eigeninitiative« und »bedingungsloser Nationalsozialist«.

Auf Nachfrage geben Bedienstete aus dem Auswärtigen Amt bekannt, ihre Chefin habe von dieser Akte bisher nichts gewusst, diese Dokumente seien ihr nicht bekannt gewesen.

Wenn die Außenministerin ihren Opa Waldemar in Reden und Statements einbaute, wirkte sie stolz und freudig zugleich. Beispielsweise im Mai 2021. In einer Konferenz der US-Denkfabrik Atlantic Council plauderte sie munter über das vergrößerte Europa, erzählte, wie sie 2004 neben dem damaligen Außenminister Joschka Fischer auf der Brücke in Frankfurt (Oder) gestanden habe und sich an dieser »reunification of Europe«, also der Wiedervereinigung Europas, erfreut habe. Und dann schwadronierte sie auf Englisch weiter: »And this was really the moment when I thought, wow, we are standing of the shoulders not only on Joschka Fischer, but also of our grandparents.«

Siegreich auf den Schultern unserer Großeltern gestanden – wow! Da muss frau erst mal draufkommen! Die Entspannungspolitik Willy Brandts ist zwar unter den Tisch gefallen, aber Annalena Baerbock sieht sich stolz auf den Schultern ihres 2016 im Alter von 103 Jahren verstorbenen Großvaters stehen, der einst an ebenjener Brücke in Frankfurt (Oder) gekämpft hatte, wie sie der Öffentlichkeit mitteilte. Zu Jahresanfang ’45 sei das gewesen.

Vier Jahre zuvor war er mit dem deutschen Heer gen Osten gezogen. Dazu sagte sie nichts. Die Geschichtsschreibung spricht von 27 Millionen Toten im Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Nazis in der Sowjetunion. Mildernde Umstände für die Außenministerin aus der Generation der Nachgeborenen? Nur in dem Sinn, dass geschichtliche Ereignisse und historische Zusammenhänge ihr bis heute wenig vertraut zu sein scheinen.

Die ersten Reaktionen auf den Aktenfund allerdings sind merkwürdig. Auf einmal großes Schulterzucken allüberall. Macht nüscht, ist der Tenor in den Leserspalten vom rechtslastigen Organ »Focus«, in dem sonst keine Gelegenheit ausgelassen wird, gegen jedwede Grüne zu hetzen und zu lästern und zu wüten. Auch Franz Josef Wagner, der Epistelschreiber von Seite 2 der »Bild«, springt kameradschaftlich bei und schreibt: »In fast jeder deutschen Familie gibt es einen Opa, der über das Grauen der Nazis schweigt.«

Macht nüscht! Wir ham ja alle nüscht jewusst, und wir wollten auch jar nüscht wissen, basta. I hob goar nix gwusst, schmettert Hubert Aiwanger aus bayerischen Niederungen. Volkes Wohlempfinden wabert wieder, das Verdrängungsvirus lebt – recht passend zu wieder erstarkenden Faschisten, Rechtsextremen und Rechtspopulisten.

Was aber ist, wenn die Außenministerin gut 24 Stunden nach dem Überfall von Putins Truppen auf die Ukraine davon spricht, die verhängten Sanktionen Deutschlands werden »Russland ruinieren«? Und was ist, wenn sie später im Europarat munter erzählt, »wir kämpfen einen Krieg gegen Russland«? Ist da etwa Opa Waldemar noch im Januar 2023 als Souffleur der Außenministerin unterwegs?

Über Geschichtsverständnis verfügt die Außenministerin in arg limitiertem Maße. In einer Talkshow ließ sie beispielsweise Panzer »wie im 19. Jahrhundert« vor dem Auge des Zuschauers auffahren, obwohl erst im Ersten Weltkrieg solch stählerne Todesmaschinen aufgeboten wurden. Auf Twitter erhob sie Nigeria zu einer einst deutschen Kolonie, obwohl dieses afrikanische Land von den Briten erobert und unterworfen worden war.

Und dann ist da noch der Weltbeglückungsanspruch der Enkelin, die rund um den Globus düst, weil ohne sie Kriege und Konflikte nicht zu lösen, Menschenrechte in Gefahr sind. Auch diese Selbstherrlichkeit ein Erbe aus Großvaters Herrenmenschenzeiten? Ja, Deutschland will die Welt wieder mal beglücken und rüstet zu diesem Zweck auch auf. Folgt belehrendem Hochmut bald wieder kriegerische Aktion? Die deutsche Chefdiplomatin scheint jedenfalls nicht allein auf Diplomatie zu setzen, nimmt man ihre militante Sprache insbesondere gegen Russland ernst.

»Ich bin da kurz in einen Schützengraben gerutscht«, gab sie dem »Tagesspiegel« im August 2021 zu Protokoll, als sie wegen der vielen Plagiate in ihrem Buch zunächst eine Rufmordkampagne gegen ihre Kritiker inszenieren ließ. Schützengraben? Opa Waldemar lässt grüßen.

Über die ewigen Versprecher ist schon viel gelacht worden – über das dunkle Unterbewusstsein wurde bisher noch nicht gesprochen. Eine Aufgabe für Psychologen und Psychologinnen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.