Werbung

Betriebsratswahl bei Tesla: Gigafactory bleibt gespalten

Betriebsratswahl: IG-Metall-Liste erhält die meisten Stimmen, die Gewerkschaft bleibt aber ohne Mehrheit

Nur in Teilen rot: Die Mehrheit der Tesla-Beschäftigten machte ihr Kreuz nicht bei der Gewerkschaft.
Nur in Teilen rot: Die Mehrheit der Tesla-Beschäftigten machte ihr Kreuz nicht bei der Gewerkschaft.

Am Tag nach der Wahl ist klar, für die IG Metall dürfte es im Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide kaum einfacher geworden sein. Zwar erlangte die Liste der Gewerkschaft die meisten Stimmen, doch die Mehrheit der Sitze dürfte erneut an dem Management nahestehende Kandidat*innen gehen.

Auf die IG Metall, die zu der Wahl erstmals eine eigene Liste stellte, entfielen 3516 und damit knapp 39,4 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Die zweitmeisten Stimmen erhielt die Liste 6 »Giga United«. 3201 Beschäftigte stimmten für die Liste um die noch amtierende Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz, das entspricht 35,9 Prozent. Im 39 Sitze fassenden Gremium stehen der IG Metall 16 Sitze zu, »Giga United« 15 Sitze, der Liste »One Team« fünf, der Liste »Giga Fair« zwei und der Liste »Giga für Alle« ein Sitz.

Die IG Metall schrieb am Mittwochabend von einem Erfolg. An die aktiven Gewerkschaftsmitglieder gewandt, erklärte Bezirksleiter Dirk Schulze: »Ihr habt in der kurzen Zeit einen fantastischen Wahlkampf mit einem klaren und überzeugenden Programm für bessere Arbeitsbedingungen bei Tesla geführt.«

Auch wenn die Gewerkschaftsliste damit am besten abschneidet, entschieden sich mehr als 60 Prozent gegen sie. Dabei gilt nicht nur die Liste 6 als nah an der Linie der Geschäftsführung orientiert. Entsprechend schwierig dürfte es für die IG Metall werden, Mehrheiten zu finden. Auch dass der Vorsitz erneut nicht an ein Gewerkschaftsmitglied geht, steht zu befürchten. Drei Tage haben die Gewählten nun Zeit, um die Wahl anzunehmen. Dann folgt die konstituierende Sitzung, auf der der Vorsitz gewählt wird.

André Thierig, einer der Geschäftsführer des Tesla-Werkes, teilte auf der Plattform Linked In mit: »Unsere Belegschaft hat sich in der soeben beendeten Betriebsratswahl mehrheitlich gegen einen gewerkschaftlichen Betriebsrat ausgesprochen.« Er bedankte sich bei den Mitarbeiter*innen für die hohe Wahlbeteiligung von nahezu 80 Prozent und ihre Stimme »für eine unabhängige Zukunft der Gigafactory Berlin-Brandenburg«. Tesla teilte mit, dass sich der Einfluss der Gewerkschaft im Betriebsrat nicht vergrößert habe, den heute 60 Prozent der Stimmen, die nicht auf ein Gewerkschaftsmitglied entfielen, stünden 53 Prozent aus 2022 gegenüber. Allerdings war die IG Metall damals nicht mit eigener Liste angetreten, ihre Mitglieder wurden somit zum ersten Mal explizit als solche gewählt.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Die Gewerkschaft zeigt sich dennoch zufrieden und verweist auf die schwierigen Bedingungen. Ein Sprecher sprach gegenüber »nd« angesichts des Ergebnisses von zufriedenen Kolleg*innen und guter Stimmung, darüber hinaus wolle man sich aber öffentlich nicht weiter äußern. Ein Mitglied der IG Metall, das über die Gewerkschaftsliste für den Betriebsrat kandidierte, sagt zu »nd«: »Das Ergebnis ist gut und zeigt, die Belegschaft will Gewerkschaft, ganz klar.«

Das Werk in Grünheide scheint in zwei Fraktionen gespalten. Das trat zuweilen schon in der Arbeit des bisherigen Betriebsrats zutage. So stimmte die Mehrheit des Gremiums unter fragwürdigen Umständen der Kündigung eines seiner Mitglieder zu, das sich zur IG Metall bekannte. Von einer Einschüchterungs- und Desinformationskampagne hatte ein Gewerkschaftssekretär gegenüber »nd« gesprochen. Die Vorsitzende Schmitz hatte sich wiederholt gegen externe Einflüsse wie Gewerkschaften und Tarifverträge gestellt. Man wolle vor allem der IG Metall zeigen, »was wir unter Solidarität verstehen«, hatte Schmitz auf einer eigens vom und für das Unternehmen ausgerichteten Kundgebung nach einem Anschlag auf die Stromversorgung erklärt.

Auch im Vorfeld der nun vollzogenen Wahl hatte es Unregelmäßigkeiten gegeben. So sei diese zu früh angesetzt worden, was auch vom Arbeitsgericht als Verstoß beurteilt wurde. Laut IG Metall habe das zu einer kurzen Vorbereitungszeit und somit unfairen Wahlbedingungen geführt. Die »MOZ« berichtete unter Berufung auf mehrere Quellen, dass Supervisor*innen und Teamleiter*innen während Teamtreffen dazu aufgefordert hätten, nicht die IG Metall zu wählen. Für Präsentationen, in denen die IG Metall und der Betriebsrat gegenübergestellt wurden, sei zum Teil das Band angehalten worden.

Zudem seien gewerkschaftsfeindliche Ansteckbuttons in Umlauf gewesen. Das bestätigt gegenüber »nd« auch das für den Betriebsrat kandidierende IG-Metall-Mitglied: »Wenn die Wahl fair gewesen wäre, dann wäre nicht der Großteil der Teamleads und Supervisors mit ›Giga Ja. Gewerkschaft Nein.‹-Buttons rumgelaufen.« In den sozialen Medien schrieben weitere Kandidierende der IG Metall von unfairen Wahlbedingungen.

Das Zehn-Punkte-Programm der Gewerkschaft umfasste unter anderem die Forderungen nach längeren Taktzeiten und Bandpausen sowie einer angemessenen Besetzung. Außerdem seien der Gesundheitsschutz zu verbessern, Leiharbeit zu beenden, und das Bekenntnis zur Gewerkschaft und Belegschaft müsse möglich sein, ohne Einschränkungen befürchten zu müssen.

Langfristiges Ziel der IG Metall bleibt ein Tarifvertrag, für eine rechtssichere Vereinbarung von höheren Entgelten, kürzeren Arbeitszeiten und mehr Urlaub. Elon Musk, sein Management und der ihm gegenüber loyale Betriebsrat hatten stets darauf verwiesen, bessere Arbeitsbedingungen insbesondere in Abwesenheit eines Tarifvertrags durchgesetzt zu haben.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.