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Theater-Ausgliederung: Berlins Personalräte drohen mit Widerstand
Senat will die Struktur von fünf landeseigenen Bühnen reformieren
Nach den jüngst bekannt gewordenen Überlegungen des Berliner Senats, die landeseigenen Bühnen umzustrukturieren, reißt die Kritik nicht ab. Gewerkschaft und Personalräte kritisieren sowohl die Kommunikation als auch mögliche Inhalte, die bisher durchgesickerte Informationen nahelegen. Mit einem entsprechenden Gremienbeschluss bereitet der Hauptpersonalrat Widerstand vor.
»Wir sehen mit Blick auf die in Rede stehenden Strukturänderungen an den fünf Berliner Bühnen die Gefahr, dass wir die dort tätigen Kolleginnen und Kollegen aus unseren Reihen – sprich aus dem öffentlichen Dienst des Landes Berlin – verlieren«, erklärt die Vorsitzende des Hauptpersonalrats Daniela Ortmann gegenüber »nd«. Der Hauptpersonalrat habe deshalb am Dienstag entschieden, sagt Ortmann, »sich gegen jegliche Form der Ausgliederung der Berliner Bühnen auszusprechen und zu versuchen, diese zu verhindern«.
Angesichts der angespannten Finanzsituation hatte die Regierungskoalition beschlossen, den Etat der Senatsverwaltung für Kultur allein 2025 um 130 Millionen Euro zu kürzen. Damit fallen satte 12 Prozent des Gesamtvolumens weg. Der Aufschrei der Branche war entsprechend laut. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) eröffnete daraufhin den Kulturdialog, um zu eruieren, wo möglicherweise verträglich gespart werden kann.
Die Leitungen der fünf landeseigenen Häuser – Deutsches Theater, Volksbühne, Maxim-Gorki-Theater, Theater an der Parkaue sowie Konzerthaus – haben sich mit dem Regierenden Bürgermeister und der Senatsverwaltung auf öffentliches Stillschweigen verständigt. Die Beschäftigtenvertretungen und die Gewerkschaft fühlen sich vom Dialog abgeschnitten.
Eine vom Rundfunk Berlin-Brandenburg zunächst in Spiel gebrachte Privatisierung hat die Senatsverwaltung für Kultur inzwischen dementiert und ausgeschlossen. Doch andere Neuregelungen, die die Beschäftigten aus dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) herauslösen würden, sind nicht vom Tisch. Auch ein Stellenabbau, der die Personalkosten absenken würde, ist nicht ausgeschlossen.
Die Senatskulturverwaltung will sich zu etwaigen Veränderungen nicht äußern, bevor der Dialog abgeschlossen ist. »Derzeit befindet sich der Bereich der Bühnen in einem Strukturentwicklungsprozess, den die Staatssekretärin für Kultur begleitet«, hatte es zuletzt geheißen. »Innerhalb dieses Prozesses wird auch die Frage der Rechtsformen evaluiert.«
Denkbare neue Rechtsformen wären beispielsweise die Überführung der Landesbetriebe in gemeinnützige GmbHs. Das Berliner Ensemble und die Schaubühne werden so betrieben. Ebenfalls möglich wäre es, die Häuser in einer Stiftung öffentlichen Rechts anzusiedeln. So wurde 2004 die Stiftung Oper in Berlin gegründet, um angesichts des Spardrucks alle drei Opernhäuser zu erhalten. Die Häuser werden als eigenständige Betriebe geführt, aber zentral von der Stiftung verwaltet. Einzelne Bereiche, wie die Ballett- und die Serviceabteilungen fusionierten zu einer gemeinsamen Abteilung, die an allen Häusern tätig ist.
»Wir sehen bisher keine Strukturänderung, die wir vertreten können und die zugleich eine Entlastung für den Haushalt bedeutet.«
Daniela Ortmann
Vorsitzende des Hauptpersonalrats
Für die Opernstiftung hat die Gewerkschaft Verdi einen Haustarifvertrag ausgehandelt, der die Arbeitsbedingungen in fast allen Belangen an den TV-L angleicht. Allerdings ist das kein Automatismus und abhängig davon, wie gut sich eine Gewerkschaft durchsetzen kann. Die Beschäftigten der Stiftung Oper erhalten zudem im Gegensatz zu den Beschäftigten der landeseigenen Häuser nicht die Hauptstadtzulage von 150 Euro.
Hauptpersonalratsvorsitzende Ortmann erklärt »nd«, dass sich der Widerstand auch auf die »Umwandlung in eigenständige gGmbHs, die Einrichtung einer Stiftung Bühne oder den Anschluss an die Stiftung Oper« bezieht. Noch sei nichts entschieden, fügt Ortmann hinzu, aber angesichts dessen, dass die Mitarbeitervertretungen aus der offiziellen Kommunikation herausgehalten werden, mache sich der Personalrat Sorgen um die Zukunft der Bühnen – und die Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze. »Wir sehen bisher keine Strukturänderung, die wir vertreten können und die zugleich eine Entlastung für den Haushalt bedeutet«, sagt die Personalratsvorsitzende.
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Das Vorgehen des Senats wird auch von der Gewerkschaft Verdi kritisiert: Mit den Plänen die Bühnen in eine neue Rechtsform, etwa in eine Stiftung, zu überführen, würden CDU und SPD mit ihren Koalitionsvereinbarungen brechen meint Gewerkschaftssekretär Konstantin Kohl zu »nd«. Schließlich drohe damit ein Ausscheiden aus dem TV-L. »Das würden wir als klare Tarifflucht verstehen«, sagt Kohl. Andrea Kühnemann, stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft, erklärte, sie erwarte, dass die zuständigen Personalräte »in jegliche Überlegungen zu strukturellen Veränderungen unverzüglich mit einbezogen werden«. Das sehe auch das Berliner Personalvertretungsgesetz vor.
Laut der gesetzlichen Regelung muss der Personalrat bei »der Auflösung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen« mitwirken. Noch im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD festgehalten: »Die Gründung von Tochterunternehmen öffentlicher Kultur-Betriebe zur Umgehung branchenüblicher Tarifverträge lehnen wir ab.«
Nicht alle Beschäftigten an den landeseigenen Bühnen fallen unter den Tarifvertrag der Länder, die überwiegend künstlerisch Beschäftigten sind hiervon ausgenommen. Bundesweit sind etwas mehr als die Hälfte der 45 000 Theaterbeschäftigten nicht künstlerisch tätig, etwa technisches, Verwaltungs- und Hauspersonal.
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