KPÖ in Salzburg: »Das beflügelt uns Ältere«

KPÖ-Urgestein Michael Graber über das Wahlergebnis in Salzburg und Neuerungen in der Partei

Kay-Michael Dankl, neuer Vizebürgermeister der Mozartstadt.
Kay-Michael Dankl, neuer Vizebürgermeister der Mozartstadt.

Sie sagen, sie sind kein Morgenmensch. Wie schwer fiel Ihnen das Aufstehen, nachdem Kay-Michael Dankl doch nicht Bürgermeister Salzburgs wurde?

Leicht, denn das Gesamtergebnis ist trotz der verlorenen Stichwahl ein Riesenerfolg. Dankl wird Vizebürgermeister, kommt in die Stadtregierung, erhält vermutlich das Wohnressort, und die Gemeinderatsfraktion ist von einem auf zehn Mandate angeschwollen.

Sie haben den Wahlkampf der KP Salzburg auf der Straße unterstützt. Unterschied sich dieser von früheren?

Ein Charakteristikum war, dass die Salzburger Partei vor allem in Stadtteilen mit unterdurchschnittlicher Wahlbeteiligung präsent war. Das sind auch jene Bezirke, in denen die Mieten am höchsten und die Einkommen am niedrigsten sind. Außerdem war die innerparteiliche Solidarität auffällig. Viele Personen sind aus anderen Bundesländern nach Salzburg gekommen, das hat Eindruck auf mich gemacht. Dass ich noch so eine erfolgreiche Phase der Partei erlebe, war vor einigen Jahren undenkbar. Über Jahrzehnte waren die Älteren in der Mehrheit unter den Aktivistinnen und Aktivisten. Jetzt ist es umgekehrt. Diese Entwicklung beflügelt uns Ältere.

Interview

Michael Graber trat 1967 als 19-Jähriger in die KPÖ ein und ist bis heute Partei­mitglied geblieben. Aktuell ist er Obmann des Zentral­verbands der Pensionistinnen und Pensionisten, der mit der KPÖ zusammenarbeitet.

Wie kam es zu der Verjüngung?

Ein wichtiger Anstoß waren die Jungen Linken, die sich der KPÖ angeschlossen haben. Sie haben sich ursprünglich aus den Jungen Grünen entwickelt und sind heute die Jugendorganisation der KPÖ.

Entsteht dadurch ein Generationenkonflikt?

Wenn sich in der Partei mehr junge Leute organisieren, dann muss sie sich entsprechend der Anforderungen dieser Generation formen. Das ist natürlich für weitere junge Leute attraktiv und hat sozusagen einen Rückkopplungseffekt. Insofern ist die KPÖ heute eine andere Partei, als sie das vor 20, 30 oder 40 Jahren gewesen ist.

Finden so neue Themen Einzug in die Partei? Inwiefern linke Parteien die Klimafrage priorisieren, ist derzeit eine heiße Debatte ...

Natürlich, die Frage der öko-sozialen Transformation wird vor allem von jungen Genossinnen und Genossen vorangetrieben. In der Vorbereitung auf die Nationalratswahlen und auf die Europaparlamentswahlen gibt es aber einen Konsens darüber, dass wir einen Fokus auf die Themen Wohnen, Soziales, Frieden, Abrüstung, Gesundheit und Pflege setzen werden.

Momentan sehen die Statistiken nicht so aus, als würde die KPÖ im Herbst in den Nationalrat einziehen.

Die Umfragen prognostizieren uns zwischen drei und fünf Prozent. Für den Einzug in den Nationalrat gibt es eine Vier-Prozent-Hürde. Die KPÖ hat bei den Bundeswahlen in den letzten Jahrzehnten maximal ein Prozent erreicht. Das heißt, auch wenn wir mit drei oder vier Prozent abschneiden, wäre das großartig.

Welche Themen setzen Senior*innen in der neu aufgestellten Partei?

Im Zentralverband der Pensionistinnen und Pensionisten, der mit der KPÖ zusammenarbeitet, kümmern wir uns um die Sorgen und Nöte der älteren Generation, vor allem um die Schwächsten unter uns. Das sind in Österreich die sogenannten Ausgleichszulagenbezieher. Ihre Pensionen sind so gering, dass sie Anrecht auf einen Zuschuss haben. Dieser Zuschuss reicht aber oft nicht aus und liegt noch weit unter der Armutsgrenze.

Wie beurteilen Sie die von der Ampel angestrebte Rentenreform in Deutschland?

Wie ich das verstehe, gibt es Bestrebungen, wieder stärker in Richtung einer kapitalgedeckten Rente umzubauen. Das lehnen wir strikt ab.

Als Gründe für die Erfolge der KPÖ werden oft charismatische Kandidat*innen, Protestwahl und ein fehlendes Geschichtswissen genannt. Was davon trifft zu?

Die großen Erfolge sind auf drei Faktoren zurückzuführen. Erstens, die richtige Themensetzung. Das Wohnungsproblem hat sich als das dringlichste Problem der Menschen hier herauskristallisiert. Zweitens haben erfolgreiche Spitzenkandidaten in Graz und Salzburg bei eben diesem Thema zu Verbesserungen beigetragen. Das hat ihre Glaubwürdigkeit erhöht. Der dritte Aspekt ist die Hartnäckigkeit, mit der das Thema gerade in jene Kreise der Bevölkerung getragen worden ist, die am stärksten betroffen waren. Wählende bewerten heute unser aktuelles Auftreten, historischer Antikommunismus spielt beinahe keine Rolle mehr.

Ist das noch linke Politik oder schon Servicepolitik?

Brauchen wir da eine Grenze? Persönliche Sprechstunden sind ein wichtiger Teil der Politik der Salzburger KP. So informieren sich die Abgeordnete über die Probleme der Bevölkerung.

Kann die deutsche Linke etwas aus dem österreichischen Erfolgsmoment lernen?

Da traue ich mir keine Ratschläge zu, wir sind ja immer noch eine kleine Partei. Einen Austausch gibt es ohnehin.

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