»Omen«: Vom Teufel gezeichnet

In seinem Spielfilmdebüt »Omen« erzählt der aus dem Kongo stammende belgische Musiker Baloji von familiären Konflikten, Aberglaube und Entfremdung

  • Inga Dreyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Topos des interkulturellen Paars, das sich gegen Widerstände durchsetzen muss, ist im Film nicht neu – doch Koffi (Marc Zinga) und Alice (Lucie Debay) prallen statt auf liebenswerte Klischees auf rigorose Feindseligkeit.
Der Topos des interkulturellen Paars, das sich gegen Widerstände durchsetzen muss, ist im Film nicht neu – doch Koffi (Marc Zinga) und Alice (Lucie Debay) prallen statt auf liebenswerte Klischees auf rigorose Feindseligkeit.

Nur ungern rasiert Alice (Lucie Debay) ihrem Verlobten Koffi (Marc Zinga) den Kopf. Aber der ist sicher: Der Afro muss weg. Wenn er zum ersten Mal nach vielen Jahren zurück in den Kongo reist, will er einen guten Eindruck machen. Dazu gehören eine ordentliche Frisur und eine ebenso ordentliche Mitgift, die er seiner Familie bringen will, um deren Segen für die Hochzeit mit Alice einzuholen.

Dass seine Verwandten ihm feindselig gegenüberstehen, wird offensichtlich, als Koffi und die schwangere Alice bei einem Familienessen erscheinen. Die Schwestern reagieren zögerlich, die Mutter verzieht keine Miene. »Zabolo« wird Koffi von seiner Familie genannt, »Zeichen des Teufels«, denn auf seiner Wange trägt er ein rotes Mal. In all den Jahren scheint sich nichts an der Angst und Verachtung durch die Familie geändert zu haben.

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»Omen«, im Original »Augure«, das Spielfilmdebüt von Baloji (bürgerlich Serge Tshiani), der aus dem Kongo stammt und als Kind nach Belgien emigrierte, erzählt nur vordergründig eine Geschichte, die schon vielfach filmisch verarbeitet wurde: Ein junges, interkulturelles Paar bricht ins Heimatland einer Person auf und steht dabei vor Herausforderungen, die am Ende mit Humor gemeistert werden. Schwiegertochter oder Schwiegersohn erobert letztlich doch charmant das Herz der Familie. Nicht so in »Omen«. Statt auf irgendwie liebenswerte Klischees prallt das Paar auf eine Wand aus Ablehnung und Aberglauben. Baloji erzählt die Geschichte einer Entfremdung von den eigenen Wurzeln und dem schmerzlichen Versuch, Kontakt herzustellen und alte Wunden zu heilen. Ein Lichtblick ist dabei die Begegnung mit Koffis Schwester Tshala (Eliane Umuhire), die sich von den traditionellen Vorstellungen von Familie gelöst hat und polyamore Liebesbeziehungen abseits gesellschaftlicher Normen führt.

Koffi, der alles richtig machen will, macht sofort alles falsch. Als er bei besagtem Treffen mit der Familie ein Baby auf den Arm nimmt, bekommt er just in diesem Moment Nasenbluten. Rot tropft es auf die Stirn des Kindes. Dessen Mutter schreit auf: »Sie haben meinen Sohn verflucht!«

Nächste Szene: Das Volksgericht tagt. Koffis Kopf wird unter Wasser gedrückt und danach in eine Holzmaske eingeschlossen, die zusammengenagelt wird. Seine Verlobte versucht, ihn zu verteidigen – ohne Erfolg. Das Gericht entscheidet, dass Koffi die Gastfreundschaft verraten habe.

Parallel wird die Geschichte des Straßenjungen Paco und seiner Gang von Kindern erzählt, die rosafarbene Kleider tragen und auf Paraden Zaubertricks vorführen. Von einer anderen Straßengang werden sie verfolgt, gedemütigt und verprügelt.

Aberglaube, Diskriminierung, Armut, Gewalt oder auch die Unterdrückung von Frauen: »Omen« berichtet auf eine visuell und erzählerisch eindrückliche Art von gesellschaftlichen Problemen und miteinander verwobenen Lebensgeschichten. Vieles bleibt dabei bloß angedeutet in Symbolen. Einerseits erzählt der Film beinahe nüchtern von den Geschehnissen. Andererseits arbeitet er gleichzeitig mit einer betörenden Ästhetik und Elementen des magischen Realismus und Surrealismus.

Baloji berichtet über sich selbst, er sei Synästhet – alles sei bei ihm mit Farbe verbunden. In seinem Film nutzt er starke, wiederkehrende Farben, wie (Alb-)Träume wirkende, magische Sequenzen und Musik, die er selbst komponiert hat. Baloji wurde 1978 in Lubumbashi (damals Zaire, heute Demokratische Republik Kongo) geboren und lebt in Belgien. Er ist in verschiedenen künstlerischen Bereichen erfolgreich, darunter als Musiker, Schauspieler sowie Kostümdesigner, und war Teil der belgischen Hip-Hop-Gruppe Starflam. Für »Omen« hat er vier Alben aus der Perspektive der Protagonist*innen komponiert. In Tshalas Album etwa gehe es um weibliche Sexualität, erzählt er in einem Interview für das Presseheft des Films.

»Omen« war nicht nur offizieller Auslands-Oscar-Kandidat Belgiens, sondern hat auch, neben anderen Preisen, in Cannes den Prix de la Nouvelle Voix und beim Filmfest München den Cine Rebels Award gewonnen. Mit letzterem werden »Formatsprenger« und experimentale Filmemacher*innen ausgezeichnet. Hoffentlich wird Baloji noch mehr Filme machen, die gleichzeitig so visuell ambitioniert und einfühlsam sind wie sein Debüt.

»Omen«: Belgien/Deutschland/Frankreich/Niederlande/Südafrika/Demokratische Republik Kongo 2023. Regie und Buch: Baloji. Mit: Marc Zinga, Yves-Marina, Marcel Otete, Eliane Umuhire, Lucie Debay. 92 Min. Jetzt im Kino.

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