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Alexander Dugin: Vormarsch der weißen Armee
Protest in Moskau: Alexander Dugin soll an der Moskauer Universität ein nach dem exilrussischen Faschisten Iwan Iljin benanntes Studienzentrum leiten
Sie ist eine der angesehensten Hochschulen des Landes: Die Russische Staatliche Geisteswissenschaftliche Universität (RGGU) in Moskau. Seit vergangenem Freitag ist sie in den Schlagzeilen, denn ihre Studenten protestieren gegen die Gründung eines neuen Studienzentrums, dessen Name Programm sein soll: »Politische Hochschule Iwan Iljin.«
Die Sympathien des russischen Philosophen und Rechtswissenschaftlers Iwan Iljin (1883–1954) für den Faschismus sind hinlänglich bekannt. Und die Bezeichnung »politisch« statt »politikwissenschaftlich« ist kein Zufall: Zweck der neuen Institution ist die Etablierung eines neuen »Paradigmas« der »russländischen Zivilisation« an den Hochschulen, um die »traditionellen Werte« zu bewahren und weiterzuentwickeln. Es ist konsequent, dass der rechtsradikale Theoretiker Alexander Dugin der Direktor wird. In einer Petition der protestierenden Studenten, die auch antifaschistische Aufkleber verteilen, wird Dugin als »ultrarechter Philosoph« bezeichnet und eher zurückhaltend darauf hingewiesen, dass in der »gesellschaftlich-politischen Atmosphäre, in der sich unser Land befindet« der Name eines Anhängers des Faschismus wohl kaum für eine wissenschaftliche Institution geeignet sei. Innerhalb von wenigen Tagen bekam die Petition 5500 Unterschriften.
Für Dugin stecken hinter den Protesten gegen ihn und sein neues Institut dieselben Kräfte wie hinter dem Mordanschlag auf seine Tochter und Mitstreiterin Darja Dugina im August 2022. Alexander Besborodow, der Rektor der RGGU, behauptet, dass 5500 Unterschriften allesamt von einer »ukrainischen Agentur« stammen würden. Es wurde auch eine loyale Telegram-Gruppe »Studenten für Iljin« geschaffen, die aber auf lediglich 530 Mitglieder kommt.
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Sowohl Iljin als auch Dugin sind stark mythologisierte Figuren, deren Bedeutung häufig medial stark überhöht wird. Iljin wird häufig als »Chefideologe der russischen Konterrevolution« und als »Putins Lieblingsphilosoph« bezeichnet. Dabei verbrachte er den Russischen Bürgerkrieg von 1917 bis 1922 zwischen den »Roten« und den »Weißen« im bolschewistischen Moskau, wo er an seiner Dissertation »Hegels Philosophie als Lehrwerk über das Wesen Gottes und des Menschen« arbeitete, die er unter den atheistischen Machthabern auch erfolgreich verteidigte. Aus seinen religiös-philosophischen Ansichten machte Iljin kein Geheimnis, was ihm mehrere Verhaftungen einbrachte, doch er machte keine Anstalten, sich zu den konterrevolutionären »Weißen« durchzuschlagen. Schließlich wurde er im September 1922 von den Bolschewiki zwangsausgebürgert und auf einem sogenannten Philosophenschiff mit einer Reihe anderer Intellektueller aus Sowjetrussland nach Stettin ausgewiesen.
In Deutschland gelang ihm jedoch keine große philosophische Karriere. Vielmehr wurde er zu einem sehr aktiven antikommunistischen Publizisten. Als die »weiße Armee« militärisch geschlagen war, entbrannten die Kämpfe um ihr geistiges und organisatorisches Erbe und um ihre politische Einordnung. Die »weißen« Veteranen waren uneinig, was sie wollten: Restauration der Monarchie, liberale Verfassung, russischer Nationalstaat oder vielleicht eine neue politische Ordnung? Iljin wurde zum Theoretiker der »Russischen All-Militärischen Union« (ROWS), die sich als eine Art Exilarmee begriff, die aber nicht vorab die politische Ordnung eines postkommunistischen Russlands festlegen wollte, weshalb ihre Beziehungen zu den legitimistischen Monarchisten gespannt waren. Gleichzeitig trat Iljin für die unbedingte Fortsetzung des bewaffneten Kampfes ein und lehnte alle »versöhnlerischen« Strömungen ab. Und damit war er auch ein Feind des »Eurasiertums«, das zu Beginn der 1920er Jahre von rechten russischen Intellektuellen im Exil entwickelt wurde und auf das sich Alexander Dugin bis heute bezieht. Es ist eine Ideologie, nach der Russland zwischen Europa und Asien stehe und sich als autoritärer, »ideokratischer« Staat von allen westlichen Einflüssen fernhalten soll.
Iljin begrüßte sowohl Mussolini als auch Hitler als die »Retter Europas vor dem Kommunismus« und beteiligte sich aktiv an der Nazi-Propaganda und verteidigte Hitlers Antisemitismus. Gleichzeitig hatte er als konservativer Christ engen Kontakt mit dem rechtsprotestantischen Kreis um die Berliner Zeitschrift »Eckart«, aus der sich später bürgerlicher Widerstand gegen Hitler entwickelte. Für kurze Zeit leitete er Iljin das staatliche Russische Wissenschaftliche Institut, nachdem dort bereits etliche Mitarbeiter aus politischen und rassistischen Gründen entlassen worden waren. 1938 wird er der »Freimaurerei« und der Zusammenarbeit mit den Bolschewiki beschuldigt und flieht in die Schweiz. Doch auch weit nach dem Zweiten Weltkrieg betonte Iljin die angeblichen positiven Aspekte des Faschismus. Für ihn waren Spanien unter Franco und Portugal unter Salazar Vorbilder für ein Russland nach den Kommunisten, weil sie mit dem Christentum kompatibel waren. Das bezeichnete er als eine »nicht totalitäre« Variante des Faschismus.
Iljin schwebte ein Staat vor, in dem nicht »Demagogen«, sondern die in moralischer und geistiger Hinsicht angeblich »Besten« selbstlos regieren sollten. Etwaige, ob von Individuen oder Klassen formuliert, bewertete er durchgehend als Gefahr für das nationale Wohl. Zu Iljins Popularität im postsowjetischen Russland hat vor allem der Dissident und Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn beigetragen, den Iljins korporatistische Ideen politisch beeinflussten. Vermutlich kam Wladimir Putin über Solschenizyn auf die Texte von Iljin. Dass er aber sein »Lieblingsphilosoph« sei, ist ein Missverständnis, denn was Putin von Iljin zitiert, entstammt meist dessen ausufernder tagespolitischer Publizistik, in der er grundlegend alles »Russische« anpreist.
Dugins Weg führte hingegen von rechtsesoterischen Zirkeln in der späten Sowjetunion über »Pamajat«, die erste legale Organisation der russischen Nationalisten der 1980er Jahre, über die autoritär-schillernde »Nationalbolschewistische Partei« des verstorbenen Schriftstellers Eduard Limonow in die Kreise der europäischen »Neuen Rechten«, deren Autoren er in Russland bekannt machte. Er ist mehr ein Medienphänomen als ein Politiker, alle seine Versuche, eine eigene politische Organisation zu gründen, versandeten. Umso eifriger verteidigt er seinen Ruf an der Propagandafront.
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