Berliner Lehrer streiken für kleinere Klassen

Mehr als 2500 Menschen waren auf der Streikdemonstration der GEW in Berlin-Mitte

Neuköllner Lehrer fordern kleinere Klassen
Neuköllner Lehrer fordern kleinere Klassen

»Das System funktioniert nur, wenn man sich kaputtarbeitet«, sagt Georg Holodynski. Er ist Lehrer an einer Neuköllner Schule. Am Mittwochmorgen allerdings unterrichtet er nicht. Stattdessen findet man ihn im Streikcafé an der Hermannstraße. Dort haben sich knapp 60 Neuköllner Lehrer*innen, Sozialpädagog*innen und Schulpsycholog*innen versammelt, die dem Aufruf zum Warnstreik der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) gefolgt sind und zur großen Demo am Alexanderplatz gehen wollen.

Die GEW will mit dem mittlerweile 18. Streiktag einen »Tarifvertrag Gesundheitsschutz« durchsetzen. Das übergeordnete Ziel: kleinere Schulklassen, tariflich geregelt. Holodynski berichtet davon, wie die Größe der Klassen seine Arbeit erschwert. »Man kann nicht individuell fördern und wird dann den eigenen pädagogischen Ansprüchen nicht gerecht«, sagt er im Gespräch mit »nd«. Als während der Corona-Pandemie die Klassen geteilt worden seien, habe er gemerkt, wie viel besser der Unterricht funktioniert habe. Das sei nicht nur besser für die Lehrer*innen, sondern auch für die Schüler*innen.

Auch der Berliner GEW-Vorsitzende Tom Erdmann ist in Neukölln. Die Streiks für kleinere Klassen laufen schon seit 2021. Aber die Problematik ist schon viel länger bekannt. »Vor 17 Jahren habe ich als Student als einer der ersten Vertretungslehrer angefangen, weil der Lehrkräftemangel so hoch war«, sagt Erdmann zu »nd«. Seitdem habe sich die Situation stetig verschlechtert. »Wenn die Politik selbst nicht erkennt, was notwendig ist, dann muss es mit so einem Tarifvertrag gehen.«

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Erdmann verweist auf den erfolgreichen Tarifabschluss der Pflegekräfte an der Charité, in dem der Personalschlüssel für Pfleger*innen pro Betten festgelegt wird. »Die Charité wirbt jetzt mit dem Tarifvertrag um Fachkräfte und es mehren sich die Anzeichen, dass dieser Tarifvertrag tatsächlich für mehr Bewerber sorgt.« So etwas Ähnliches erhoffe er sich auch für die Bildung. Zurzeit wird die Klassengröße arbeitgeberseitig durch Verordnungen geregelt. »Wenn es einen Tarifvertrag gibt, dann kann man damit um Lehrkräfte werben.«

Der Senat, in diesem Fall der verantwortliche Arbeitgeber, hat sich bisher nicht auf die GEW zubewegt. Erdmann ist trotzdem zuversichtlich: »Ich denke schon, dass es uns gelingen wird, was zu erreichen. Man sieht ja auch heute, dass die Kolleg*innen bereit sind, weiter zu streiken.«

An der Demo vom Neptunbrunnen bis zum S-Bahnhof Friedrichstraße nehmen laut GEW mehr als 2500 Demonstrant*innen teil, die Mehrheit von ihnen mit knallroten GEW-Westen. Rund 32 000 Lehrkräfte gibt es in Berlin, mehr als 20 000 von ihnen sind angestellt und dürfen streiken. Die verbeamteten Lehrer*innen können das nicht. Seit die Verbeamtung im vergangenen Jahr wieder eingeführt wurde, nimmt ihre Zahl zu.

Angesichts des langen Arbeitskampfes sind nicht alle Teilnehmer*innen auf der Demonstration optimistisch. Helga Müller, die direkt vom Streikposten vor ihrer Rudower Grundschule gekommen ist, meint, sie streike nicht mehr, damit die Klassen kleiner, sondern nicht noch größer würden. »Die Situation macht ja nicht nur uns krank, sondern auch die Kinder«, sagt Müller. Lehramtsstudentin Olga Liebs, die in einer Schule arbeitet, steht hinter einem Banner, auf dem »Erzwingungsstreik jetzt« steht. Liebs meint, dass der Arbeitskampf härter geführt werden müsste. »Mit dem Senat haben wir einen harten Verhandlungspartner. Da ist es fraglich, ob ein Warnstreik ausreicht, um unsere Forderungen durchzusetzen.«

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