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China ist Weltmeister im Aufforsten

In China wurden in den vergangenen Jahrzehnten rund 80 Milliarden Bäume gepflanzt. Das verhindert die Ausweitung von Wüsten

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 5 Min.
In China wird seit Ende der 70er Jahre in großem Stil aufgeforstet.
In China wird seit Ende der 70er Jahre in großem Stil aufgeforstet.

Aufforstung wird manchmal als eine Art Allheilmittel gegen den Klimawandel beworben. 2019 sorgte eine Studie der ETH Zürich für Schlagzeilen, weil darin behauptet wurde, ein erheblicher Teil des in der Atmosphäre durch Verbrennen von Kohle und Erdölprodukten angereicherte Kohlendioxids könne durch Wiederaufforstung eingefangen werden. Im Fachblatt »Science« hielten 56 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Nord- und Südamerika, Europa und Asien in einer gemeinsamen Erklärung dagegen. Das Potenzial der Wälder sei um den Faktor fünf überschätzt worden. Weltweit könnte Aufforstung der Atmosphäre demnach nicht 205 Milliarden, sondern nur 41 Milliarden Tonnen Kohlenstoff entziehen. Das entspräche 147 Milliarden Tonnen CO2 und etwa den globalen Treibhausgasemissionen von dreieinhalb Jahren.

Aufforstung ist also bei weitem nicht der Königsweg zur Lösung der Klimakrise, kann aber einen gewissen Beitrag leisten. Entsprechend hat sich die Volksrepublik China zum Beispiel schon 2015 im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen verpflichtet, ihre Wälder erheblich auszudehnen. Das fiel ihr sicherlich um so leichter, als dass China aufgrund von vielen Wüsten, hoher Bevölkerungsdichte und dem Holzhunger während der Industrialisierung ein extrem waldarmes Land ist. Aufforstungskampagnen seit den späten 70er Jahren sollen unter anderem die Wüsten in Schach halten. Wüsten und von diesen bedrohtes Land machen etwa 44 Prozent der Landesfläche aus. Ihre Ausbreitung gefährdet kostbares Weide- und Ackerland und Staubstürme sorgen gelegentlich selbst in großen Metropolen wie Peking für erhebliche Belastungen. Im Frühjahr haben oft selbst auf der koreanischen Halbinsel oder in Japan die Menschen unter dem feinen Wüstensand zu leiden.

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Allzu viel konnten die rund 80 Milliarden Bäume, die seit 1978 gepflanzt wurden, daran bisher nicht ändern, meint die britische Nichtregierungsorganisation World Forest, die sich der Schaffung neuer Wälder verschrieben hat. Doch immerhin seien der Effekt der Wüsten und ihre Ausbreitung ein wenig gemindert worden, die Waldfläche sei beachtlich ausgedehnt worden. Eine 2019 in »Nature Sustainablity« erschienene Studie hatte auf der Grundlage von Satellitendaten der Nasa ergeben, dass im Zeitraum 2000 bis 2017 weltweit die mit grünen Pflanzen bedeckte Fläche um fünf Prozent zugenommen hat. Beachtliche 25 Prozent dieser neu bewachsenen Flächen lagen in China, wobei 42 Prozent des Zuwachses eine Folge der Aufforstung und 32 Prozent auf Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen zurückzuführen waren. Inzwischen ist, trotz einiger Rückschläge, die bewaldete Fläche in China von zwölf Prozent in den frühen 80ern auf 24 Prozent verdoppelt worden.

Eine im vergangenen Jahr im Fachblatt »Communications Earth & Environment« veröffentlichte Untersuchung hat Satellitendaten aus den 80ern sowie den Jahren 2000 und 2010 aus Südchina miteinander verglichen. Das Ergebnis: Eine vor 40 Jahren fast waldfreie Region, in der es nur noch in den oberen Regionen der Berge alte Wälder gab, war 2020 wieder mit dichten Wäldern bewachsen, die – wie die Satellitenaufnahmen ebenfalls zeigten – um 2000 angelegt wurden. 730 000 Quadratkilometer neuer Wald waren hinzugekommen, eine Fläche fast doppelt so groß wie Deutschland. Doch damit soll noch nicht Schluss sein: 2022 hatte Chinas seinerzeitiger Klima-Chefunterhändler Xie Zhenhua auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos angekündigt, dass bis 2030 70 Milliarden weitere Bäume folgen würden.

Doch welchen Nutzen hat Chinas Aufforstung für das Klima? Dieser Frage ging ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener chinesischer Institute nach. Mithilfe von Satellitendaten und In-situ-Untersuchungen in den Wäldern haben sie die Neuwälder der Volksrepublik zwischen 1990 und 2020 unter die Lupe genommen. Ihre Ergebnisse wurden Mitte Mai in dem Fachjournal »Nature communications« veröffentlicht. Die Menge des in Chinas Wäldern gespeicherten Kohlenstoffs hat sich demnach von 1990 bis 2020 nahezu verdreifacht und damit seien inzwischen gut 1,8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gebunden. Etwas mehr als die Hälfte des Zuwachses kam durch die Aufforstung zustande, der Rest durch das Wachstum der Bäume in den wenigen alten Wäldern, die es noch gab. Inzwischen nähmen die alten und neuen Wälder 40 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr auf. Das entspricht knapp 147 Millionen Tonnen CO2, also 1,3 Prozent der jährlichen Emissionen Chinas. Nicht gerade viel, aber andere positive Effekte sind die genannte Eindämmung der Wüsten, die Verminderung der Erosion in Chinas fruchtbaren Löss-Regionen und der Schutz der letzten Refugien der Wildnis.

Wesentlichen Anteil am Wachstum der chinesischen Wälder hat die Tatsache, dass der Holzeinschlag im Inland stark eingeschränkt wurde. 2019 wurde ein Gesetz eingeführt, das den Raubbau an den Wäldern verhindern soll. Doch offenbar wird es bisher nicht auf Importe angewandt. Im Oktober 2023 berichtete die internationale Umweltorganisation Global Witness von Aktivitäten der Firma Congo King Baisheng Forestry Development. 2022 hatte diese demnach in der Demokratischen Republik Kongo 30 000 Tonnen Hartholz illegal eingeschlagen und nach China exportiert. Der chinesische Bedarf an Teak und anderen wertvollen Holzarten übe einen starken Druck auf den Regenwald im Kongobecken aus.

Global Witness gab an, die chinesischen Zollbehörden Monate vor der Veröffentlichung kontaktiert zu haben. Im September 2023 hätten diese geantwortet, dass ihnen die Hände gebunden seien, da das chinesische Waldschutzgesetz im Ausland keine Anwendung finde. Die chinesischen Behörden könnten nur tätig werden, wenn Unternehmen gegen die Gesetze eines anderen Landes verstießen und dessen Regierung sie um Hilfe ersuche. Die Regierung in Kinshasa scheint aber kein Interesse daran zu haben, dass die Volksrepublik Importe von illegal geerntetem Tropenholz unterbindet. Peking andererseits hat bekundet, die Einfuhr illegalen Holzes bekämpfen zu wollen, verfügt aber bisher über keine entsprechenden Gesetze und Verordnungen.

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