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Rechte Partys: Alles auf den Index
Angesichts rechter Gesänge auf Sylt und anderswo schlägt Christoph Ruf ein einfaches Verfahren vor: Musik, Alkohol, Versammlungen – alles verbieten.
Auf Sylt wurde »Deutschland den Deutschen – Ausländer raus« gegrölt. Das ist schlimm. Immerhin ist der Schuldige hier aber klar und eindeutig zu benennen. Gegrölt wurde nämlich zur Melodie des Songs »L’amour toujours« von Gigi D’Agostino. Da kann der Italo-DJ noch so oft betonen, das sei ein Lied der Liebe und der Völkerverständigung. Entscheidend ist, das wusste schon Helmut Kohl, was hinten rauskommt.
Endlich ist deswegen nun die Politik aufgewacht. Besser spät als nie, kann man sagen, auch wenn »Ausländer raus«-Videos aus Malle und anderen Orten der musikalischen Verirrung seit Monaten durchs Netz wabern. Umso wichtiger ist, dass wenigstens jetzt konsequent gehandelt wird: Die Forderung, das Originallied zu verbieten, ist deshalb richtig. Ohne Gigi kein Nazi-Refrain, das ist doch wohl offensichtlich. Einen antifaschistischen Orden verdienen deshalb auch die Organisatoren des Cannstatter Wasens und des Oktoberfests, die D’Agostino auf den Index gesetzt haben.
Wichtig wäre jetzt aber, auch andere Sauflieder zu verbieten, die selbst mit zweieinhalb Promille im Kopf in rechtsextremen Bullshit umgedichtet werden können. Also: alle. Bei »Der Zug hat keine Bremse« und »In München steht ein Hofbräuhaus« schafft das der dümmste Sylter Proll. Und auch zu »Es gibt kein Bier auf Hawaii« lässt sich im Hugo-Rausch prima »Es ist kein Ausländer da, drum bleib’ ich hier« singen. Ein Selbstversuch unter der Dusche ergab zudem, dass rechte Umwidmungen auf fast jeden Pop- und Billigtechnosong möglich sind. Konsequent wäre es also, jede Form von Musik zu verbieten, es sei denn, sie ist rein instrumental. Warum nicht mal eine Wies’n mit Freejazz oder Schönbergs Zwölftonmusik?
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Wer konsequent antifaschistisch handeln will, sollte sich allerdings nicht an einzelnen Liedern abarbeiten, er muss dann auch fragen, in welchem Rahmen »Ausländer raus« gegrölt wurde. Genau: bei einer Feier. Und unter Alkoholeinfluss. Auch der ließe sich leicht verbieten und das hätte den angenehmen Nebeneffekt, dass die Regierung ihren Kampf gegen die Gastronomie so noch effizienter führen könnte als mit ihrer Steuerpolitik. Gleiches gilt für die Zusammenrottung größerer Menschengruppen unter freiem Himmel, auch die sollte man als potenzielle Brutstätte braunen Unwesens verbieten.
Handeln statt diskutieren, das ist das Gebot der Stunde. Seit 1968 hat diese Gesellschaft viel zu oft versucht, in Zusammenhängen zu denken. Wenn das heute noch en vogue wäre, würde man sich vielleicht fragen, ob es ein Zufall ist, dass der dümmstmögliche Rassismus von der gutbetuchten Hugo-Fraktion zur Schau gestellt wird. Menschen, die sich im öffentlichen Dialog gerne weltoffen geben, aber genau wissen, in welche Waldorfschulen sie ihre Kinder geben müssen, wenn es dort genauso ausländerfrei zugehen soll wie beim Reitunterricht.
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Apropos Sylt. Dort gibt es nicht nur ein Problem mit Debilo-Bonzen, sondern auch eines mit der blauen Nesselqualle, die letzten Sommer so manche weiße Kinderhaut übel gereizt hat. Damit sich das nicht wiederholt, sei auch hier die neue deutsche Effizienz empfohlen. Einfach ein paar Stangen Dynamit in die Nordsee und alles absammeln, was an der Oberfläche auftaucht. Dumm gelaufen für Schweinswal und Kabeljau. Aber die Quallen, die sind dann halt auch weg.
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