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Nachrichten von der Front im »Krieg der Steuern«

Das deutsche Steuerrecht mag einem sehr unübersichtlich und lahm vorkommen, doch es ist ein Kampfplatz, auf dem der Staat mit den Konzernen um seine Einnahmen ringt. Wie mir der bekannte, 2022 verstorbene Potsdamer Steuerrechtler Andreas Musil einmal frustriert erzählte, wird es dominiert von Juristen, die mehrheitlich der CDU und FDP nahestehen und die mit ihren Vorträgen, Gutachten und Aufsätzen danach trachten, den Staat zu schwächen, indem sie die Besteuerung großer Unternehmen und großer Vermögen so klein wie möglich halten wollen. Musil war SPD, für den Staat und damit ein Außenseiter.

Doch es gibt auch gegenläufige Bewegungen, vor allem international: Seit fast zehn Jahren arbeitet die »Unabhängige Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung« (ICRICT), in der prominente kritische Wirtschaftswissenschaftler und Juristen wie der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, die Anwältin Eva Joly, die für die französischen Grünen im EU-Parlament saß, der Franzose Thomas Piketty oder die Inderin Jayati Ghosh für eine stärkere Besteuerung der internationalen Konzerne wie Apple, Microsoft und Amazon, eintreten.

Auch wenn die ICRICT-Leute an den Spitzen-Universitäten, meistens in den USA, tätig sind, ist es ein langer zermürbender Kampf, die Konzerne aus ihrem Dickicht der Steueroasen, Briefkastenfirmen und Steuergeschenke ins öffentliche Bewusstsein zu holen, denn lange war es so, dass sich weltweit die Staaten einen Unterbietungswettkampf im Steuerrecht boten, um den Konzernen besser zu gefallen. Die mussten kaum noch Steuern zahlen (legendär: Apple mit offiziellem Sitz in Irland) und anders als versprochen, gab es dafür weder mehr Jobs noch eine Steigerung des allgemeinen Wohlstands.

Von diesem Kampf gegen Willkür und Verhohnepiepelung erzählt der Dokumentarfilm »Tax Wars« von Hege Dehli und Xavier Harel, der am Dienstagabend auf Arte läuft. Und auch von der Geschichte des Neoliberalismus und der Ausbeutung des Globalen Südens. Am Abend zuvor gab es in einem Kino in Berlin-Mitte eine Vorpremiere, veranstaltet von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Oxfam und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit. Für das Netzwerk waren Christoph Trautvetter und für die SPD-Bundestagsfraktion Parsa Marvi anwesend. Bevor der Film losging, formulierte Trautvetter ein kleines »Rätsel für das Publikum«: Bei der Bewertung der ganzen Zahlen, die einem der Film offeriert, sollte man einmal darauf achten, ob die Besteuerung der Weltkonzerne mit der Besteuerung einer typischen deutschen Bäckerei vergleichbar sei? Deren Inhaber werden nämlich inklusive Einkommensteuer 45 Prozent aufgebrummt, dagegen musste Apple für seine Gewinne in Irland nur 0,005 Prozent bezahlen.

Doch durch Enthüllungsjournalismus (Luxemburg Leaks, Panama- und Pandora-Papers), Aufklärungskampagnen und vor allem durch die gestiegenen Gesundheitskosten in der Pandemie war die Wegschau- und Laissez-faire-Politik des Staates nicht mehr länger zu halten und zu vermitteln. Biden und Macron begannen davon abzurücken und schließlich auch die EU. 25 Prozent Besteuerung wollte ICRICT als weltweiten Mindestsatz, bekommen haben sie zehn Prozent, unterzeichnet von 140 Staaten 2021. Die EU will 15 Prozent. Ist das eine Erfolgsgeschichte? Laut Parsa Marvi seien die Konzerne jetzt »ins Schwitzen« gekommen. Allerdings wurden bislang nur die sogenannten Übergewinne der 100 größten Firmen besteuert. Sie mussten zusammen bislang rund eine Milliarde Dollar mehr abdrücken. Möglich wären aber 220 Milliarden Dollar. Das sind die Fronten im »Krieg der Steuern«. Marvi forderte einen Ausbau der Steuerfahndung. Wie sagte Ronald Reagan, als er vor mehr als vier Jahrzehnten das Zeitalter des Neoliberalismus einläutete? »Die Regierung hat kein Problem, die Regierung ist das Problem.«

»Tax Wars – Krieg der Steuern«, Dienstag, 20.15 Uhr auf Arte und in der Arte Mediathek

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