Radio Dreyeckland: Rundfunkfreiheit gewinnt in Karlsruhe

Freispruch für Redakteur des Freien Radios aus Freiburg

Demonstration in Solidarität mit dem angeklagten Redakteur in der Freiburger Innenstadt.
Demonstration in Solidarität mit dem angeklagten Redakteur in der Freiburger Innenstadt.

»Ein Medium zu verbieten, weil es strafrechtlich relevante Inhalte veröffentlicht, ist ungefähr so, wie wenn ein Journalist des Terrors verdächtigt wird, weil er Edward Snowden interviewt.« Dieses solidarische Statement hatte das Freiburger Radio Dreyeckland einige Tage nach dem Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia.org auf seiner Webseite veröffentlicht.

Sieben Jahre später wurde der nicht kommerzielle Sender in der gleichen Sache selbst Ziel staatlicher Repression: Der langjährige Redakteur Fabian Kienert soll die damals nach dem Vereinsrecht verbotene Webseite mit einem Hyperlink unterstützt haben, so die Anklage der Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht in Karlsruhe.

Der heute 38-Jährige hatte in einer Meldung auf der Webseite des Radios auf eine statische Kopie von »Linksunten« verwiesen, die auf Servern in Nordamerika gehostet wird. Ironischerweise ging es in dieser Meldung um die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (Paragraf 129 Strafgesetzbuch). Damit wollte die Staatsanwaltschaft – erfolglos – erfahren, wer hinter »Linksunten« steckte.

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Mit seinem Link auf die Open-Posting-Webseite, auf der Nutzer ohne Anmeldung Beiträge anlegen konnten, habe Kienert die Vereinigung beworben und gefördert – nach Ansicht des ermittelnden Staatsanwalts Manuel Graulich eine Unterstützungshandlung nach Paragraf 85 StGB. Damit habe der Angeklagte auch Straftaten gebilligt.

Von all diesen Vorwürfen wurde der Redakteur am Donnerstag in Karlsruhe freigesprochen. So hatte es die Verteidigerin von Kienert, die Lörracher Rechtsanwältin Angela Furmaniak, zuvor gefordert. Presse- und Meinungsfreiheit seien konstitutiv für eine Demokratie, ihr Mandant habe mit seiner Arbeit dazu beigetragen, so das Plädoyer. Die Staatsanwaltschaft wollte hingegen, dass Kienert zu einer Strafe von 90 Tagessätzen über jeweils 40 Euro verurteilt wird.

Der Artikel mit der Verlinkung stelle keine Unterstützung für die Weiterbetätigung der verbotenen Vereinigung dar, erklärte der Vorsitzende Richter Axel Heim, und stellte klar: »Ein kritischer Journalist muss Verbote kritisieren dürfen«. Dass Heim der Anklage nicht folgen würde, war an den vorangegangenen Prozesstagen absehbar. Die Behauptungen der Staatsanwaltschaft erfolgten »ins Blaue hinein« und aufs »Geratewohl«, erklärte das Gericht etwa zur Ablehnung eines Beweisantrags.

In diesem Antrag hatte Graulich gefordert, bei einer Durchsuchung der Wohnräume Kienerts beschlagnahmte Datenträger, darunter SIM-Karten von Mobiltelefonen sowie ein Laptop, forensisch zu untersuchen. Würde das digitale Adressbuch Kienerts in den Prozess eingebracht, entwerte dies die Presse- und Rundfunkfreiheit, erklärte jedoch der Vorsitzende Richter. Die Verteidigung hatte zuvor gedroht, sich im Falle einer Erlaubnis für eine solche Auswertung mit einem Eilantrag ans Bundesverfassungsgericht zu wenden, um das Redaktionsgeheimnis und Informanten zu schützen.

Richter Heim hielt schon die Hausdurchsuchung bei Kienert für bedenklich. Dabei ließ die Staatsanwaltschaft 26 Fotos in dessen Wohnung anfertigen. Allenfalls neun davon seien ermittlungsrelevant, merkte der Richter an. Gegen die Durchsuchung klagt Kienert beim Bundesverfassungsgericht.

Zwischenzeitlich wollte Graulich dem Redakteur und dem Freien Radio sogar eine direkte Beteiligung an »Linksunten« anhängen. Nach seiner Argumentation sei es denkbar, dass der Sender die Macher der verbotenen Webseite als Redakteure beschäftigt habe.

Eine zentrale Frage vor dem Landgericht war, ob es die 2017 verbotene Vereinigung noch gibt, sodass diese überhaupt unterstützt werden kann. In der mündlichen Urteilsbegründung erklärte Richter Heim, dass allein die Existenz der Archivseite nicht die Fortexistenz der Vereinigung beweise.

Gestern erhielt Kienert im Prozess das letzte Wort und wies dabei auf die Belastungen der insgesamt neun Verhandlungstage hin, an denen er auch nicht seiner journalistischen Arbeit nachgehen konnte. »Auch ein Freispruch heilt den angerichteten Schaden nicht«, heißt es in seiner Erklärung. Eine derartige Repression könne auch größere Medien treffen, wenn nach einem Rechtsruck »mehr Menschen mit dezidiert rechter Einstellung in die verschiedenen Institutionen drängen«, warnte Kienert.

Das Gericht entschied am Donnerstag auch, dass der Redakteur für die Durchsuchung seiner Wohnung und die Beschlagnahme von Material entschädigt wird. Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht. Nach der schriftlichen Begründung in einigen Wochen können die Prozessbeteiligten eine Revision vor dem Bundesgerichtshof beantragen.

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