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- Nach Anschlag in Mannheim
»Pax Europa«: »Nur weil sie schreit, hat sie nicht recht«
In Dortmund trat »Pax Europa« zum ersten Mal nach dem Anschlag von Mannheim auf
Die Katharinentreppe ist der Eingang zur Dortmunder Innenstadt. Wer mit der Bahn in die Ruhrgebietsmetropole fährt, geht die Treppe hoch, um in die City zu kommen. Das obere Ende der Treppe ist ein beliebter Ort für politische Kundgebungen aller Couleur. Am Samstag hatte sich die »Bürgerbewegung Pax Europa« (BPE) den Platz für eine Kundgebung gesichert. Die erste Kundgebung nach der Messerattacke eines mutmaßlichen Islamisten eine Woche zuvor in Mannheim, bei der BPE-Boss Michael Stürzenberger und mehrere Unterstützer verletzt wurden und der junge Polizist Rouven L. getötet wurde.
Für die Dortmunder Polizei, die durchaus Erfahrung mit heiklen Versammlungen hat, eine Herausforderung. Die BPE-Kundgebung wurde von einem Großaufgebot der Polizei begleitet, der Platz für die islamfeindliche Kundgebung mit einer doppelten Reihe Gitter abgesperrt, sodass zwischen BPE-Anhängern und Passant*innen eine Art Pufferzone entstand.
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Warum die Pufferzone ihren Sinn hatte, konnten alle sehen, die die Islamhasser einen Moment beobachtet haben. Da Michael Stürzenberger wegen der in Mannheim erlittenen Verletzungen noch fehlte, gab Pax-Europa-Schatzmeisterin Stefanie Kizina die Einpeitscherin. Ihre langen Ausführungen zum Attentat garnierte Kizina mit zahlreichen Spekulationen zum Täter, dessen echtem Alter und angeblichen Taliban- und Al-Qaida-Kontakten. Das alles gipfelte in der Feststellung: »Wäre der Mann katholisch oder evangelisch erzogen worden, hätte er so eine Tat nicht begangen.«
Als eine Kopftuch tragende Frau etwas Negatives in Richtung der Kundgebung rief, konnte Kizina gar nicht mehr an sich halten, pöbelte wüst zurück und erklärte, »traumatisiert vom Kopftuch« zu sein. Warum ein Tuch die Dame traumatisiert? Nun, es ist ein Symbol des Islam, und der wird von der BPE abgelehnt. Wieso und warum, das wurde in der fünfstündigen Kundgebung in allen denkbaren Varianten ausgeführt. Zusammengefasst: Muslime sind böse, dürfen lügen und vergewaltigen, all ihr Handeln zielt auf Eroberung und Unterdrückung ab. Und eigentlich seien Muslime wie Nazis. Kizina führte all das in einem überaus lauten und aufgeregten Tonfall aus. Eine Passantin, die sich die islamfeindliche Show einen Augenblick angeschaut hatte, kommentierte treffend: »Nur weil sie schreit, hat sie nicht recht.«
Die Ausführungen über Nazis und Muslime dürften zumindest einen Teil der Zuhörerschaft geärgert haben. Eine Handvoll Neonazis aus der »Heimat« (früher NPD) besuchte den Kundgebungsplatz und verteilte Wahlwerbung. Unter den Zuschauer*innen befanden sich zahlreiche Corona-Leugner*innen, die die Wahlwerbung der Neonazis gerne annahmen. Auch Matthias Helferich besuchte die Kundgebung kurz. Der Bundestagsabgeordnete, den die AfD nicht in ihrer Fraktion haben will, veranstaltete auch eine Kleinstaktion in der Dortmunder Innenstadt und lud für den Abend zu einer »Remigrationsparty« in seinem Wahlkreisbüro ein. Gut 150 Antifaschist*innen demonstrierten gegen die Party von Helferich.
Zurück zur Pax-Europa-Kundgebung. Stefanie Kizina gab in der sehr langen Kundgebung noch weitere Einblicke in ihr Weltbild. Bildhafte schilderte sie das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023, um anschließend zu erklären, im Nationalsozialismus sei die Judenvernichtung ja »Reichsversschlusssache« gewesen, und deswegen hätten nur die wenigsten davon gewusst. Bei solchen Ausführungen wundert es kaum noch, dass ein weiterer Redner, der in den guten alten Zeiten schwelgte, in Bezug auf den Sylt-Skandal erklärte: »Einen übern Durst trinken und blöde Lieder singen, das gab's früher auch schon. Das war Unbeschwertheit.«
Unbeschwert blöde Lieder singen, das gab es schon am Freitag in Mannheim. Nach einer »Gedenkkundgebung« der baden-württembergischen AfD versuchten Kundgebungsteilnehmer aus dem rechten Hooliganspektrum, unter der Melodie von Gigi d'Agostinos l'amour toujours zu den Gegendemonstrant*innen zu gelangen. Sie brachen ihren Versuch, vermutlich aufgrund des großen Polizeiaufgebots, ab. Insgesamt versammelten sich mehrere hundert AfD-Anhänger*innen auf dem Paradeplatz in der Mannheimer Innenstadt. Der Marktplatz, an dem das tödliche Attentat geschah, wurde der Partei verwehrt. Bei der Kundgebung sprachen die AfD-Landesvorsitzenden aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Sie alle machten die Einwanderungspolitik von CDU und Ampel für das Attentat verantwortlich.
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