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- Dokumentarfilm »Niemals allein, immer zusammen« im Kino
Wie ein moderner Kommunismus
Die Doku »Niemals allein, immer zusammen« ist ein kurzweiliges Zeitdokument über fünf mutige Menschen, die von einer befreiten Gesellschaft träumen
In den letzten Jahren sind einige Filme über linken Aktivismus entstanden – die meisten von ihnen werden zumeist auf Kinotouren an den Orten gezeigt, die von Menschen besucht werden, die sich auch mehr oder minder innerhalb der linken Szenen bewegen. Ein relevantes darüber hinausgehendes Publikum erreichen diese Produktionen leider selten. Das ist den Regisseur*innen naturgemäß bewusst, und so sind diese Filme häufig auch als Mutmacher oder politische Statements zu verstehen, die vor allem in die eigene Szene funken.
Daher ist es einerseits verständlich, andererseits ein bisschen schade, wenn ein Film wie der an diesem Donnerstag in den Kinos startende »Niemals allein, immer zusammen« wie die meisten seiner Vorgängerfilme eher einen Bogen um die heiklen Fragen innerhalb der Szene macht und mehr an die Einheit und das Gemeinsame appelliert. Verständlich ist es, weil insbesondere die linksradikale Szene inzwischen derart marginalisiert ist, oder das zumindest von sich denkt, dass man sich offenbar lieber auf das Einigende besinnen will. Schade ist es, weil auf diese Art keine wirkliche Positionierung zustande kommt; und das Problem, dass es innerhalb der Linken relevante Streitpunkte gibt, die für viele unüberwindbar scheinen und die Szene seit Jahrzehnten lähmen, kann man nicht mit »immer zusammen« einfach ungeschehen machen.
Wir sehen in dem Film von Regisserin Joana Georgi fünf jungen Aktiven, nämlich den Berliner*innen Quang, Simin, Feline, Patricia und Zaza bei ihrer politischen Arbeit zu, aber auch dabei, wie sie ihren Alltag bewältigen, und man möchte ihnen 90 Minuten lang ununterbrochen zurufen, wie recht sie haben und wie wichtig ihre Arbeit ist. Der Film ist ein kurzweiliges, kämpferisches Zeitdokument über fünf kluge und mutige Menschen, die von einer befreiten Gesellschaft träumen und sich in den Kampf geworfen haben. So marginal ihre Szene auch sein mag, sie ist mindestens bei bestimmten Themen und in den großen Städten durchaus wirkmächtig, auch das zeigt der Film. Eine der Protagonist*innen, Zaza, hilft bei der gewerkschaftlichen Organisierung von Pflegekräften, Quang ist bei Fridays for Future aktiv, Patricia hat mit der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen in Berlin die Stadtbevölkerung mobilisieren können und dabei einen großen politischen Erfolg erkämpft.
Das Narrativ des Films, wonach hier fünf Freund*innen aus verschiedenen linken Zusammenhängen und damit auch mit verschiedenen Standpunkten durch das »Gemeinsame«, das »Zusammen« erst stark werden können, bleibt aber oberflächlich – dieses »Zusammen« ist funktionslos, weil ein Dissens gar nicht gezeigt wird. Genau das wäre aber interessant gewesen: Wo sind die politischen Friktionen zwischen den Protagonist*innen? Worüber streiten sie politisch, und wie trägt sie ihr Wille zur Gemeinsamkeit und ihr Wissen um die Notwendigkeit eines politischen »Zusammen« über die Streitpunkte hinweg?
Auf solche Fragen gibt der Film kaum Antworten, jedenfalls nur wenige politische. Das »Zusammen« bezieht sich hauptsächlich auf ein Gefühl, auf eine bestimmte Form von Freundschaft, die über das Politische hinausgeht, aber eben in erster Linie privat ist. Nur einmal wird so etwas wie eine politische Perspektive erwähnt, nämlich von Simin, die anmahnt, man brauche »einen übergeordneten Organisierungszusammenhang wie eine kommunistische Partei, damit unsere Bewegungen nicht lose voneinander verlaufen«.
Was das genau bedeuten könnte, wie ein moderner Kommunismus sich von den autoritären Formen abgrenzen könnte, wie man einem großen Teil der linken Bewegungen, die sich weder als traditionskommunistisch verstehen noch einer Parteistruktur unterordnen wollen, einen solchen Organisierungszusammenhang schmackhaft machen will, dazu schweigen Film und Protagonist*innen.
So ist »Niemals allein, immer zusammen« eine sehr unterhaltsame und optimistische Feel-Good-Doku über linksradikalen Aktivismus, die ihre stärksten Momente immer dann hat, wenn es zur Sache geht, wenn wir etwa von Zaza erfahren, wie belastend ein Pflegeberuf ist: »Pflege-Azubi heute bedeutet ständige Überstunden, 950 Euro brutto, Zweitjob während der Ausbildung … ständige Ausübung von Tätigkeiten, für die du nicht ausgebildet bist, Augenringe, Frust der Patient*innen, eigener Frust, Frust der Vorgesetzten. … Mich nimmt das sehr mit, und ich bin meinen Freund*innen und Genoss*innen immens dankbar, dass sie da sind.«
Hier wird klar, wie wichtig gewerkschaftliche Organisierung ist – und die ganze Sequenz mit Zaza und einem Freund beim Plakatemalen und beim Sprechen über ihre berufliche Situation und die Notwendigkeiten von politischen Kämpfen ist die vielleicht eindrücklichste Sequenz des Films. Auch hier bleibt die Stimmung gut, man lacht die Zweifel letztlich gemeinsam weg und ist sich einig, dass sich der zusätzliche Aufwand für die politische Arbeit durchaus lohnt.
Bleibt die Frage, warum radikal linke Ideen, die meist auch radikal solidarische, menschenfreundliche sind und sich ernsthaft und fundiert den manifesten Problemen jener zuwenden, die keine großen Lobbyverbände hinter sich wissen, in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen werden. Und warum auch bei der kürzlichen Europawahl wieder viele Arbeiter*innen, Angestellte oder auch Pflegekräfte lieber den Fantasie- und Verschwörungsnarrativen der AfD folgten, statt mit anderen Betroffenen gegen die kapitalistischen Zwänge und Automatismen etwas zu unternehmen. Denn genau das bietet nur die (radikale) Linke, und sie macht das mit Leidenschaft und Freundlichkeit, das zeigt der Film in erster Linie. Es bleibt zu hoffen, dass »Niemals allein, immer zusammen« auch über die einschlägige Szene hinaus ein Publikum finden wird.
»Niemals allein, immer zusammen«, Deutschland 2024. Regie: Joana Georgi. 90 Min. Kinostart: 13. Juni.
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