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Streit in der AfD - Rechte befürchten Kuschelkurs mit Etablierten

Zwischen Europawahl und Parteitag kämpft die AfD um ihren Kurs und Personal

Eigentlich sollte die Alternative für Deutschland (AfD) nach der Europawahl aus dem Feiern nicht mehr herauskommen. Trotz zahlreicher Skandale im Wahlkampf und des Kaltstellens der beiden Spitzenkandidaten ist die Partei in Ostdeutschland stärkste Kraft geworden und liegt bundesweit auf Platz zwei. Doch die Partystimmung ist schon vorbei. In die europäische Fraktion Identität und Demokratie wird die AfD nicht aufgenommen. Einfluss und Geld gehen ihr dadurch verloren.

Dabei hatte die AfD-Delegation im Europaparlament am Montag entschieden, dass Maximilian Krah ihr nicht angehören soll. Ein Zugeständnis an die französische Rechte. An der Personalie des Spitzenkandidaten, den die Partei jetzt nicht mehr haben möchte, ist ein Richtungsstreit neu entbrannt, der auch den AfD-Parteitag am letzten Juniwochenende in Essen bestimmen könnte.

Transatlantikerin Le Pen

Dabei geht es um nicht weniger als geopolitische Deutungen und Positionsbestimmungen. Emmanuel Macrons Ankündigung von Neuwahlen sowie die gleichzeitige Distanzierung von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) von der AfD treiben die Partei und ihr Umfeld um. Manfred Kleine-Hartlage, extrem rechter Publizist mit eigener Kolumne bei »Compact«, hat im Podcast mit dem österreichischen Identitären Martin Sellner eine ganz eigene Theorie, was gerade in Frankreich passiert: Emmanuel Macron habe aus Washington das Zeichen bekommen, Neuwahlen einzuleiten, damit sich RN an der Regierung beteiligen könne. Diese Regierung der »nationalen Einheit« solle Frankreich dann in einen Krieg, vermutlich gegen Russland, führen.

Wo Kleine-Hartlage ins Verschwörungstheoretische abgleitet, besteht ein realer Kern. Giorgia Meloni hat sich relativ geräuschlos in die europäischen Institutionen und die Nato eingefügt. Die Rechten, nicht nur in Deutschland, haben mehr Rassismus und weniger transatlantische Politik gefordert. Dass sich Marine Le Pen in Melonis Richtung bewegt und gleichzeitig die AfD im Europaparlament ausbootet, ergibt für die extrem rechten Kräfte in der AfD und ihr Umfeld ein eindeutiges Bild: Die italienischen und französischen Rechten haben sich angepasst und ideologische Kernanliegen verraten.

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Diese Gefahr wittern sie auch bei der AfD. Dass Maximilian Krah nicht Teil der neuen AfD-Delegation im Europaparlament wird, führt nun zu erbittertem Streit. Krah selbst hatte am Montag vorgelegt: Es passe nicht zu einer Partei, die sich deutsche Interessen auf die Fahnen geschrieben hat, sagte er, wenn eine französische Partei bestimmen könne, welche Abgeordneten diese in Parlamente schickt.

Seit die Entscheidung über Krah am Montag bekannt wurde, haben extrem rechte Akteure wie Martin Sellner, Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer Stunden an Videos und Podcasts aufgenommen und seitenlange Texte geschrieben, um aus der Entscheidung einen Skandal zu machen. Mehrere rechte Medien haben eine Petition für Krahs Mitgliedschaft in der AfD-Delegation veröffentlicht. Vom bayerischen Landesverband gibt es eine Resolution für den Parteitag Ende Juni in Essen.

Inhaltlich sind beide Papiere ähnlich. Man stellt sich gegen die bisherigen Partner, weil diese keine deutschen Interessen vertreten. Vorwürfe und Kritik an AfD-Politikern, hier speziell an Krah, seien »Lügen« oder »Verleumdungen« von »Altparteien« oder ihren Medien. Krah sei außerdem ein herausragender Politiker, den man nicht in der zweiten Reihe platzieren dürfe.

Kein kleineres Übel

Der explizite Vorwurf an die Führung der AfD: Sie wolle sich koalitionsfähig für die CDU machen, Teil des »kleineren Übels« werden, wie es Götz Kubitschek in einem Text formuliert. Kubitschek benennt, neben genereller Kritik am Vorstand der AfD, zwei konkret Schuldige im Fall Krah. René Aust, den eigentlichen Dritten auf der Europaliste, behandelt er dabei noch fast wohlwollend. Der Thüringer sei vielleicht etwas zu selbst- und karrierebewusst und von anderen zur Übernahme des Postens des Delegationsleiters fast überredet worden.

Mehr Kritik erntet Hans Neuhoff. Der Musiksoziologe ist auch für die AfD in das Europaparlament eingezogen. Er soll den Antrag, Krah nicht aufzunehmen, eingebracht haben. Sein Argument: Man müsse gut mit den anderen rechten Parteien in Europa zusammenarbeiten. Auch hier wieder der Vorwurf, die Nähe zur Macht zu suchen.

Auch zu rechts

Der Ärger über Neuhoff ist bei Kubitschek und Co. jedoch schon älter. Der Grund dafür: Vor wenigen Wochen hatte Neuhoff einen Ausschlussantrag gegen Matthias Helferich gestellt. Den Dortmunder Bundestagsabgeordneten hat die AfD wegen zu rechter Positionen nicht in ihre Fraktion aufgenommen. Im Landesvorstand Nordrhein-Westfalen saß Helferich jedoch. Bis ihm im Zuge seines Ausschlussverfahrens die Mitgliedsrechte entzogen wurden.

Die Mehrheit des Landesvorstands wirft Helferich vor, völkische Ansichten zu vertreten und diese mit Herabwürdigungen zu verbinden. Zuletzt soll er Migrantinnen als »Viecher« bezeichnet haben. Früher schon gab es Skandale um Helferichs Selbstbezeichnungen als »freundliches Gesicht des NS« und »demokratischer Freißler«. Helferich und andere völkische Nationalisten in der AfD deuten die Vorgänge anders: Machtspiele, um eine mögliche Kandidatur Matthias Helferichs für den Bundesvorstand zu verhindern einerseits und der Weg hin zu einer angepassten Partei andererseits.

Die Personalien Helferich und Krah werden auf die eine oder andere Art auf der Tagesordnung des AfD-Parteitags Ende Juni in Essen stehen. Sie stehen auch für eine weitere Richtungsentscheidung. Bisher setzten sich bei solchen Fragen regelmäßig die völkischen Nationalisten durch; vor neun Jahren putschten sie in Essen Bernd Lucke vom Parteivorsitz. Nachfolgerinnen wie Frauke Petry und Jörg Meuthen gaben entnervt auf. Alice Weidel und Tino Chrupalla wissen das. Gut möglich, dass sie dafür sorgen, dass Maximilan Krah und Matthias Helferich rehabilitiert werden. Andernfalls stehen ihnen stürmische Zeiten bevor.

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