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IG Metall: Waffen für den Frieden?
Gewerkschaften im Zwiespalt zwischen Friedensbewegung und Rüstungsindustrie
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat einige linke Gewissheiten infrage und auch die Gewerkschaften vor ein grundsätzliches Dilemma gestellt. Einerseits verstehen sie sich traditionell als Teil der Friedensbewegung, rufen jährlich etwa zum Antikriegstag auf und setzen sich für Abrüstung ein. Andererseits aber ist die Ukraine bei der Wahrung ihres Rechts auf Selbstverteidigung auf Unterstützung angewiesen. Und dafür seien notfalls Waffenlieferungen legitim, hieß es auch in Beschlüssen der beiden größten deutschen Gewerkschaften Verdi und IG Metall auf ihren jeweiligen Bundeskongressen im vergangenen Jahr.
An dieser Position zu den Waffenlieferungen wurde schnell Kritik laut. So fordern inzwischen mehr als 6000 Unterzeichner*innen eines Aufrufs, mehrheitlich bei Verdi, IG Metall und der EVG organisiert, die Gewerkschaften dazu auf, sich für Abrüstung, Rüstungskontrolle, diplomatische Verhandlungen und friedliche Konfliktlösungen einzusetzen. Sie warnen vor dem Hintergrund der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen Zeitenwende, des Sondervermögens für die Bundeswehr und steigender Rüstungsausgaben vor drohenden Haushaltskürzungen im Sozialen. »Die Gewerkschaften müssen sich laut und entschieden zu Wort melden und ihre Kraft wirksam machen gegen Kriege und gegen Aufrüstung«, heißt es im Aufruf.
Anders als von den Friedensaktivisten angemahnt, scheint die IG Metall jedoch mit einem gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sowie dem unternehmernahen Wirtschaftsforum der SPD verfassten Positionspapier in eine andere Richtung zu gehen. Sie fordert in Anbetracht zunehmender geopolitischer Spannungen und Bedrohungen von der Bundesregierung mehr Unterstützung für die Rüstungsindustrie. Deutschland brauche eine »national wettbewerbsfähige und leistungsstarke Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und Bundeswehr«, heißt es in dem umstrittenen Papier mit dem Titel »Souveränität und Resilienz sichern«.
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»Wir brauchen endlich eine wehrtechnische Industriepolitik«, forderte der zuständige zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner, bei der Veröffentlichung des Papiers im Februar. Zusätzlich zum Sondervermögen von 100 Milliarden Euro soll die eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der hiesigen Rüstungsindustrie beinhalten. Neben einer Beschaffungspolitik, die über eine Legislaturperiode hinausgeht und Investitionen in Waffen und Technologien geht es um eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen innerhalb der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie. Zudem sollen Exportgenehmigungen auf EU-Ebene harmonisiert werden.
»Das Papier steht im Widerspruch zu den eigenen Beschlüssen der IG Metall«, kritisiert Ralf Krämer im Gespräch mit »nd«. Er ist einer der Initiatoren des Friedensaufrufs und unterstreicht, dass die Gewerkschaften sich im vergangenen Jahr explizit gegen höhere Rüstungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder gar darüber hinaus positioniert haben. Er vermutet auch, dass es der Industrie mit der Forderung nach einer EU-weiten Harmonisierung der Exportgenehmigungen darum geht, die Hürden für Waffenexporte zu senken. »Es gibt in Deutschland offiziell eine restriktive Rüstungspolitik der Regierung. Das ist der Industrie ein Dorn im Auge«, sagt er.
Das bestreitet die IG Metall auf »nd«-Anfrage. »Uns geht es nicht um das Absenken von Hürden, sondern um Transparenz, Verlässlichkeit und Klarheit für alle Beteiligten an einem Rüstungsprojekt.« Dazu müsste auch geklärt werden, »wie sich die Partner verständigen, wenn sich die Situation in und rund um ein potenzielles Empfängerland verändert«. Diese Position stehe im Einklang mit der Beschlusslage des letzten Gewerkschaftstags nach einer »sicherheits- und verteidigungspolitischen Integration im Sinne europäischer Souveränität«, teilte ein Sprecher der IG Metall mit.
Die Kritik, dass die Gewerkschaft einen Schulterschluss mit der Rüstungsindustrie vollzogen habe, wie vom friedenspolitischen Thinktank Informationsstelle Militarisierung vorgebracht, weist die IG Metall zurück. Sie stehe »ohne Wenn und Aber für Frieden, weltweite Abrüstung und Völkerverständigung«, heißt es gegenüber »nd«. Es gehe der Gewerkschaft »nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung, nicht um die Normalisierung oder gar Verharmlosung von Krieg, sondern um industriepolitische Fragen im Kontext der verfassungsgemäßen Landes- und Bündnisverteidigung«. Die sei zur Wahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Grundrechte notwendig. In dem Rahmen sei es Aufgabe der Gewerkschaft, auch in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für gute und sichere Arbeitsplätze zu sorgen.
Dass das Papier auch im Sinne der Beschäftigten der Rüstungsindustrie ist, nehmen die Initiator*innen des Aufrufs indes mit Bedauern zur Kenntnis. »Es ist lange her, dass die Beschäftigten in den Rüstungsunternehmen sich für eine Konversion ihrer Betriebe eingesetzt haben«, sagt Krämer dem »nd«. Und insgesamt sei der Protest innerhalb der Gewerkschaften bislang nicht so stark, dass er großen Druck auf die Führungsgremien ausüben könne. Davon zeugt auch, dass die Gewerkschaftsspitzen ein Gesprächsangebot abgelehnt haben, wie Krämer mitteilt. Daran könnte die Friedenskonferenz in Stuttgart etwas ändern. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten.
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