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Cannabis-Anbau in Berlin: Gras wächst nicht schnell genug

Nach der Legalisierung von Cannabis im April kommen die Behörden nicht so schnell voran wie erhofft

Selbst wenn Bürokratie nicht im Weg steht – besonders groß wird diese Pflanze in dem kleinen Fläschchen vermutlich nicht.
Selbst wenn Bürokratie nicht im Weg steht – besonders groß wird diese Pflanze in dem kleinen Fläschchen vermutlich nicht.

Silvesterstimmung am Brandenburger Tor. Mit einem Countdown und Wunderkerzen feiern hunderte Menschen den Monatswechsel – allerdings nicht den auf den 1. Januar, sondern auf den 1. April. Anstatt Sekt und Champagner halten viele Partygäste Joints in ihren Händen.

Cannabis war berlinweit die am häufigsten konsumierte illegale Droge, bis es im April zur Legalisierung kam. Ob am Brandenburger Tor oder Friedrichshain, in der Hauptstadt war vielerorts Jubel zu hören. Zweieinhalb Monate später tritt Ernüchterung ein: Aufgrund von Schwierigkeiten für Cannabis-Clubs könnte sich der großflächige Grasanbau nochmal verzögern. Weil der kommerzielle Verkauf von Cannabis weiterhin illegal bleibt, sollen Kiffer ohne grüne Daumen nach dem Willen des Gesetzgebers ihre getrockneten Blüten künftig über diese Anbauvereine beziehen. Wer seine Pflanzen nicht selbst anbauen möchte, kann Mitglied in einem Anbauverein werden und von dort bis zu 50 Gramm zum Selbstpreis erwerben. Im Gegenzug müssen die Vereinsmitglieder einen Mitgliedsbeitrag zahlen und sich am Anbau beteiligen.

Sonja Beeker vom Verein Cannabis Social Clubs Deutschland, in dem sich bundesweit lokale Anbauvereine zusammenschließen, sieht insbesondere bürokratische Schwierigkeiten. Zum einen wurden noch nicht in allen Bundesländern zuständige Behörden bestimmt – auch nicht in Berlin. Dadurch wissen viele Vereine nicht, an wen sie sich bei Fragen wenden können, sei es bei der Anmietung von Räumlichkeiten oder bei Präventionsfragen.

Eine richtige Immobilie zu finden, sei auch nicht einfach, sagt Beeker: Die Clubs suchen »keine Zweizimmerwohnung mit Balkon, sondern Gebäude, die Sicherheitsvorkehrungen einhalten, über ausreichende Stromversorgung für Growräume verfügen und nötige Mindestabstände zu Schulen, Kindergärten und Spielplätzen haben«. Als »Growräume« werden Cannabis-Anbauflächen in Innenräumen bezeichnet.

Dass es beim legalen Grasanbau zu Verzögerungen kommt, sei allerdings erwartbar gewesen, so Beeker: »Wir machen das alle zum ersten Mal. Da ist es nur normal, dass es Anlaufschwierigkeiten gibt.« Dies solle weder den Cannabis-Clubs noch den Behörden vorgehalten werden.

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Janis Schneider von der Berliner Suchtprävention gibt an, dass eine Verzögerung nicht zwingend etwas Schlechtes sei. »Bei dem Gesetz ist eine gute, kompetente und fachliche Umsetzung wichtig«, sagt er dem »nd«. Stehen Nachhaltigkeit und Gesundheit im Vordergrund, sei die Verzögerung langfristig durchaus positiv zu bewerten. Unter anderem sind Cannabis-Anbauvereinigungen dazu verpflichtet, Präventionsbeauftragte zu benennen. Diese müssen Zertifikate erwerben, dass sie an Präventionsschulungen teilgenommen haben. Solche Prozesse finden sich noch in der Umsetzung, so Schneider.

Georg Wurth, Inhaber des Unternehmens Deutscher Hanfverband, führt gegenüber »nd« landwirtschaftliche Verzögerungen als Grund an: So müsse das Landwirtschaftsministerium noch Pestizidobergrenzen bestimmen, um das Gesundheitsrisiko zu minimieren – das sei im Gesetz vorgeschrieben.

Anders als der großflächige komme der private Anbau aber gut voran, fügt Wurth hinzu. So geben europäische Samenbanken an, »dass die Deutschen ganz Europa leerkaufen«. Von Anbauzubehörlieferanten bekommt Wurth mit, dass deutlich mehr spezielle Dünger und Erde verkauft werden. Die Nachfrage sei größer als erwartet, was er positiv auffasst. Denn jedes Gramm, das Konsument*innen selbst anbauen, sei ein Gramm weniger auf dem Schwarzmarkt. »Dort gibt es kriminelle Strukturen und unsaubere Qualität. Teilweise werden künstliche Stoffe beigemischt, um die Wirkung aufzupeppen. Das ist brandgefährlich«, erklärt er.

Die Sorge vor Gesundheitsrisiken ist Janis Schneiders von der Berliner Suchtprävention ebenfalls wichtig. Aus dem Grund sieht er Messen wie die »Mary Jane« kritisch, welche vom Freitag bis Sonntag in den Messehallen in Charlottenburg stattfand. Der Messe gehe es um Profitmaximierung und »um die Attraktivität des Cannabis, um die Vermarktung als Lifestyle«. Dass es bei der Messe ein musikalisches Begleitprogramm mit jugendaffinen Acts gebe, ginge auf Kosten des Gesundheitsschutzes. Denn so würden Risiken seltener thematisiert.

Dabei sei Cannabis noch immer eine Droge, die gefährlich sein kann – ein ausschließlich modernes Image verschleiere dies. Auch dann, wenn die Messe für Minderjährige nicht zugänglich ist.

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