- Berlin
- Medien
Lokaljournalismus in Berlin: Nie wieder Druckerschwärze
Im Angesicht der aussterbenden Print-Zeitung drohen journalistische Wüsten – auch in Berlin
»In der föderalen Demokratie stellt Lokaljournalismus die Basisversorgung dar«, sagt Steffen Grimberg. Grimberg ist Vorsitzender des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) Berlin, einer Gewerkschaft für Journalist*innen. Der Medienausschuss hat eine erlesene Auswahl an Medienvertreter*innen ins Abgeordnetenhaus geladen, um sich ein Bild über die Lage und Zukunftsperspektiven des Lokaljournalismus zu machen. Das Lokale spielt sich dabei auf Bezirks- oder noch kleinteiliger auf Kiezebene ab: »Informationen aus dem unmittelbaren Nahbereich« der Nutzer*innen, so die Worte Grimbergs.
»Ich kann mich noch daran erinnern«, sagt die SPD-Abgeordnete Melanie Kühnemann-Grunow, »dass ich früher die Morgenpost abonniert hatte, weil sie diesen dicken Bezirksteil hatte«. Doch die Tage der gedruckten Zeitung sind gezählt. Er mache sich als Gewerkschafter Sorgen um die Titel »Morgenpost« und »Berliner Zeitung«, sagt Grimberg. »Nach der Neustrukturierung des Printmodells steht der »Tagesspiegel« etwas besser dar«, das lasse sich auch dem vernünftigen Tarifvertrag für die Beschäftigten ablesen.
»Tagesspiegel«-Chefredakteur Lorenz Maroldt stellt das Ende der gedruckten Tageszeitung für 2027 in Aussicht. »Wir versuchen das, was an Papier mit relativ hochpreisigen Abos verfällt, mit günstigen Digitalabos zu kompensieren.« Vor zehn Jahren habe der »Tagesspiegel« die ersten, mittlerweile etablierten Bezirksnewsletter ins Leben gerufen. Bis dahin seien alle Versuche über sublokale Formate in Berlin wirtschaftlich gescheitert. Dennoch stünde auch der »Tagesspiegel« vor der Krux, dass die Bezirksnewsletter noch kostenlos verfügbar sind.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Mittlerweile sei die Leserschaft des »Tagesspiegel« zu 80 Prozent überregional, berichtet Maroldt. Grimberg vom DJV Berlin macht hier ein Problem aus: »Im Überregionalen liegt das größte Potenzial für Reichweite und Wachstum, im Lokalen sieht es schwieriger aus.« An der Spree sei dies noch mal besonders ausgeprägt, da das Lokale mit Blick auf die Metropole, den Stadtstaat Berlin unter »ferner liefen« laufe.
Grimberg weist aber auch auf die Eigenverantwortung der Medien hin. Häufig würde am Bedarf der Nutzer*innen vorbei geliefert. Eine Umfrage des Madsack-Konzerns, zu dem unter anderem die »Märkische Allgemeine« gehört, habe ergeben, dass aktive wie potenzielle Abonnent*innen sich mehr magazinartige Formate, mehr Reportagen und weniger klassische Terminberichterstattungen aus den Parlamenten wünschen.
Auf Augenhöhe mit den Nutzer*innen versucht sich auch der RBB. Mit diversen Dialogformaten wolle man weniger über Menschen reden und mehr Kommunikationsräume öffnen, sagt RBB-Chefredakteur David Biesinger.
Die Vielfalt der Gesellschaft lasse sich aber nicht alleine über den lokalen Bezug berücksichtigen. Communities bilden sich auch jenseits regionaler Grenzen, sagt Linke-Politikerin Anne Helm. Das Medienportal »Amal, Berlin«, bietet Lokaljournalismus auf Deutsch, Arabisch, Ukrainisch und Farsi. In Verbindung und Diskussion mit den Nutzer*innen würde die jeweilige Community die Berliner Gesellschaft kennenlernen, sagt Amal-Redakteur Khalid Al Aboud.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Lorenz Maroldt vom »Tagesspiegel« hebt zum Schluss der Debatte noch mal die ökonomische Dimension hervor: »Im Lokaljournalismus müssen Sie raus und mit den Leuten reden, dafür brauchen Sie viele Leute und die müssen Sie bezahlen.« Wenn die Menschen das nicht anerkennen würden, werde sich der Journalismus aus vielen Ecken zurückziehen müssen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.