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Fusion Festival: Ferienkommunismus, und zwar ohne Apartheid
Am Mittwoch beginnt die Fusion. Die Organisator*innen dieses linken Festivals mussten sich nach Kritik gegen Völkermord aussprechen
Wenn am kommenden Mittwoch das Fusion Festival beginnt, werden 70.000 Menschen auf einem ehemaligen sowjetischen Luftwaffenstützpunkt zwei Stunden nördlich von Berlin zusammenkommen. Ich war schon seit ein paar Jahren nicht mehr dort, aber ich liebe diesen Ort immer noch. Die Tickets sind viel billiger als bei kommerziellen Festivals, nur musste jede*r vor sechs Monaten an einer Verlosung teilnehmen, weil die Nachfrage nach »Ferienskommunismus« so groß ist.
Seit 1997 finden auf dem verlassenen Gelände Musik, Tanz und Kunst statt – und da es sich um die Linke handelt, gibt es Kritik ohne Ende: zu weiß, zu hetero. Außerdem wurde der Vorwurf der kulturellen Aneignung laut. Wie »nd« im vergangenen Jahr berichtete, kam es sogar zu einem Streik der Festivalmitarbeitenden. Manche nennen das Treffen in Lärz eine unpolitische, drogengetränkte »Soliparty« der subkulturellen Linken. Die Fusion versucht tatsächlich, ein politischer Raum zu sein, mit linken Workshops, internationalen Gästen und sogar einer Bühne, die als »Arab Underground« bekannt ist.
Im Februar gaben die Organisator*innen – bekannt als Kulturkosmos oder einfach nur das Zentralkomitee – einen Newsletter heraus, der ausschließlich dem Krieg in Gaza gewidmet war. Sie definierten zwei »rote Linien« für jede*n, der oder die mit ihnen feiern wollte: Es dürfe keine »Hamas-Verherrlichung« geben. Und: »Wir erwarten, bei aller Solidarität für die palästinensische Sache, dass das Existenzrecht Israels unbestreitbar ist.« Dies steht im Einklang mit den Pro-Israel-Positionen, die praktisch alle deutschen Institutionen vertreten.
»Red Flag« ist eine Kolumne über Berliner Politik von Nathaniel Flakin. Sie erschien von 2020 bis 2023 im Magazin »Exberliner« und fand ein neues Zuhause bei der Zeitung »nd« – als deren erster Inhalt, der auch auf Englisch zu finden ist. Nathaniel ist auch Autor des antikapitalistischen Reiseführers Revolutionary Berlin.
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Da internationale Kunstschaffende und Intellektuelle von Veranstaltungen ausgeladen wurden, wird die deutsche Kulturszene zunehmend isoliert. Wurde auch die Fusion in diese deutsche Blase hinein gesogen? Pro-palästinensische Gruppen riefen zum Boykott auf – und überraschenderweise zeigten sie damit Wirkung. Immerhin kommen viele Fusionistas aus dem Ausland.
Im Mai veröffentlichte Kulturkosmos ein »Follow-up« zu seiner früheren Erklärung. Darin versuchte man, sich »von unserer deutschen Perspektive« zu befreien: »Viele vermissten zu Recht eine dritte rote Linie, die den Krieg in Gaza als Völkermord und die israelische Besatzungspolitik als Apartheid benennt mit einer klaren Abgrenzung gegen all diejenigen, die dies unterstützen, negieren oder verharmlosen. Hier haben wir uns tatsächlich einseitig abgegrenzt«, heißt es ist dem Statement.
Die Fusion sagt, sie wolle einen »Raum schaffen, in dem sich Juden, Muslime, Palästinenser und Israelis so sicher und willkommen wie möglich fühlen können«. Dies unterstreicht den Hauptwiderspruch des deutschen Zeitgeistes: Während Politiker*innen behaupten, dass es ihr Ziel ist, »Juden zu schützen«, haben sie in Wirklichkeit eine beispiellose Welle der Zensur und Repression gegen jüdische Akademiker*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen gestartet, die in der Pro-Palästina-Bewegung weit überrepräsentiert sind.
In der »taz«, einer ehemals linken Zeitung, wird befürchtet, die Fusion werde durch »autoritäre Tendenzen einer neuen Generation« beschädigt. In der Tat hat sich, während wir den ersten live gestreamten Völkermord der Geschichte in den sozialen Medien mitverfolgen, eine antiimperialistische Stimmung unter der Jugend der Welt verbreitet, vor allem in englischsprachigen Ländern. Aber es sind nicht nur junge Menschen: Sowohl Amnesty International und Human Rights Watch als auch die israelische Menschenrechtsgruppe B'Tselem haben festgestellt, dass Israel Apartheid praktiziert. Der deutsche Staat mit seiner Geschichte mehrerer Völkermorde behauptet, es besser zu wissen als viele andere auf der Welt – und ein Teil der deutschen Linken stellt sich auf die Seite ihrer Regierung.
Der »taz«-Autor fragt sich: »Gibt es außer dem jüdischen noch einen anderen Staat, dessen Existenzrecht man jetzt diskutieren darf?« Nun ja. Viele Linke stellen generell das Existenzrecht eines jeden kapitalistischen Staates infrage. Die »taz« selbst hat in der Vergangenheit zur Unterstützung des bewaffneten Kampfes gegen das Apartheid-Regime in Südafrika oder die Diktatur in El Salvador geschrieben und das »Existenzrecht« dieser Staaten infrage gestellt. Sie unterstützte antikoloniale Bewegungen wie den ANC, der schon immer pro-palästinensisch war und sammelte über vier Millionen Deutsche Mark in der Spendenkampagne »Waffen für El Salvador«.
Viele ältere deutsche Ex-Linke sind verblüfft, dass junge Menschen dieselben Positionen vertreten, die sie in ihrer Jugend hatten. »Die Propagandisten in Moskau und Beijing, die längst auch mit Desinformation über den Gaza-Krieg Chaos stiften, klopfen sich auf die Schenkel«, schreibt der »taz«-Autor. Mit diesem verschwörerischen und nationalistischen Denken klingt er wie ein AfD-Politiker, der über diese verrückten Kids mit ihren postkolonialen Studien und ihrem TikTok schimpft.
Die deutsche »Solidarität mit Israel« ist oft nur ein liberales Deckmäntelchen für einen sehr traditionellen Rassismus. Das Fusion Festival schien in diese Richtung abzugleiten – und hat sich mithilfe einiger internationaler Genoss*innen von diesem deutschen Konsens gelöst. Das ist gut. Wenn ich kein kleines Kind und eine Eintrittskarte hätte, wäre ich mit meiner Kufiya dabei.
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