Fortschritt ohne Wachstum

Statt eines Wettbewerbs um Marktdominanz werden Wettbewerbe der guten Lösungen und innovativen Formen der Teamarbeit gebraucht

Die Papierfabrik der Progroup Paper PM2 GmbH im brandenburgischen Eisenhüttenstadt setzt auf weitgehende Müllvermeidung und darauf, anfallenden Müll energetisch zu nutzen.
Die Papierfabrik der Progroup Paper PM2 GmbH im brandenburgischen Eisenhüttenstadt setzt auf weitgehende Müllvermeidung und darauf, anfallenden Müll energetisch zu nutzen.

Bereits zu Jahresbeginn war er erwartet worden, nun ist er erschienen: Der Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie kann von allen, die sich dazu bemüßigt fühlen, kommentiert, kritisiert oder gar gelobt werden.

Diese Strategie soll den Weg ebnen zu einem zukunftsfähigen Wirtschaften, möglichst viele Betroffene beteiligen und damit hinter sich versammeln. Doch bereits der Anfang der Strategieentwicklung wurde verstolpert, denn wie bereits an dieser Stelle diskutiert, zeichnete sich das Grundlagenpapier durch hohe Ambitionen, aber verkürzte Perspektiven aus. Das hat sich ein gutes Jahr später mit dem Entwurf der eigentlichen Strategie nicht groß verändert.

Melanie Jaeger-Erben

Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.

Der Entwurf macht viel richtig, wie die Anerkennung der Rolle von sozialen Innovationen wie Reparaturinitiativen oder der Open-Source-Bewegung. Doch jeder Schritt nach vorn wird durch zwei Schritte zurück quasi zunichtegemacht.

Denn auch zirkuläres Wirtschaften bleibt dem Primat von Wachstum und Wettbewerb verpflichtet. Zwar wird die Relevanz von Reduktionszielen und von sogenannten »Reduce, Rethink, Refuse«-Strategien an mehreren Stellen betont, aber nur halbherzig verfolgt. Denn klare Reduktionsziele werden kaum formuliert und nicht mit Vorschlägen zu gesetzlichen Vorgaben verbunden. Bei Zielen wie der Senkung von Retourenquoten im Handel wird gar auf Selbstverpflichtungen von Unternehmen gesetzt.

Klare und zeitlich festgelegte Ziele der Reduktion sind jedoch unerlässlich, um eine Reduktion von Ressourcenverbrauch, Emissionen und Abfallmengen auch rechtlich zu verankern. Stattdessen wird weiterhin von der Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch geträumt. Eine zirkuläre Wende muss jedoch ohne Wachstumsversprechen auskommen, denn sie ist nicht in erster Linie wirtschaftlich angezeigt, sondern sozial-ökologisch geboten.

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Ökonomische Machbarkeit und Investitionen sind für die Umsetzung der zirkulären Wende ohne Frage essenziell. Eine ernstgemeinte Zirkularität von Produktionssystemen kommt jedoch ohne Entschleunigung und den Rückbau fossiler, linearer und ressourcenverschwendender Strukturen nicht aus. Der Strategieentwurf macht hier nicht nur Rückschritte, sondern auch keinen Schritt zur Seite. Er visioniert für Deutschland eine Vorreiterrolle im internationalen Wettbewerb und einen Aufstieg »zum globalen Leitanbieter für Technologien der Kreislaufwirtschaft«. Ohne die Verheißung, dass Deutschland weltweit führend sein soll, lässt sich anscheinend keine Strategie formulieren.

Aber welchen Sinn hat diese narzistische Selbsterhöhung in Zeiten der Polykrise, in denen ohne enge internationale Zusammenarbeit und gemeinsame Ziele gar nichts geht? In denen es entscheidend ist, arbeitsteilig vorzugehen, statt Führung zu beanspruchen? Globale Projekte brauchen globale Partnerschaften, starke Gemeinschaften und Netzwerke. Dafür sind Wettbewerbe der guten Lösungen und innovativen Formen der Teamarbeit wichtig, kein Wettbewerb um Marktdominanz. Hierfür muss die Strategie für eine Kreislaufwirtschaft die üblichen Pfade verlassen und Innovation im Denken und nicht nur im Technologie-Entwickeln beweisen.

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