Anhaltende Kritik an Auslieferung nach Budapest

Bislang keine Überstellung der in Nürnberg inhaftierten Hanna S. beantragt

Protest gegen die Nacht-und-Nebel-Auslieferung von Maja T. am Samstagnachmittag in Leipzig
Protest gegen die Nacht-und-Nebel-Auslieferung von Maja T. am Samstagnachmittag in Leipzig

Die Staatsanwaltschaft in Budapest hat im Zusammenhang mit Straftaten am Rande des Neonaziaufmarschs »Tag der Ehre« vor einem Jahr in Budapest noch keine Auslieferung für die in Nürnberg inhaftierte Hanna S. beantragt. Der Zeitpunkt einer solchen Entscheidung könne noch nicht prognostiziert werden, sagte ein Pressesprecher auf Anfrage von »nd«. Zunächst müssten »relevante Beweismittel« beschafft und geprüft werden. Derzeit ermittelt die ungarische Justiz gegen S. wegen »versuchter Körperverletzung mit Todesfolge« in drei Fällen sowie »schwerer Körperverletzung« in zwei Fällen, so der Sprecher. Beide Taten seien im Rahmen einer »kriminellen Vereinigung« begangen worden.

Die 29-jährige Aktivistin Hanna S. wurde auf Ersuchen der Bundesanwaltschaft in der ersten Maiwoche festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Den Haftbefehl und die Erlaubnis für eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei der Betroffenen hatte zuvor der Bundesgerichtshof bestätigt. Die Festnahme erfolgte im Beisein von Ermittlern des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen. »Hanna S. beteiligte sich am 10. und 11. Februar 2023 zusammen mit anderen Mitgliedern der Vereinigung an zwei Überfällen auf öffentlichen Plätzen in Budapest«, heißt es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft. »Die Geschädigten erlitten multiple Prellungen und Platzwunden insbesondere im Bereich des Kopfes«, so der Vorwurf.

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Am Freitag vor einer Woche hatte das LKA Sachsen in der Sache die in Dresden in Untersuchungshaft sitzende nicht-binäre Person Maja T. nach Budapest ausgeliefert. Sie war im Dezember in Berlin festgenommen worden, über das Ersuchen aus Ungarn entschied das Kammergericht der Hauptstadt am Tag vor dem Vollzug der Maßnahme. Am Vormittag der Auslieferung entschied das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren, dass diese ausgesetzt werden müsse – allerdings war T. zu diesem Zeitpunkt nach einer »Durchlieferung« von Behörden in Österreich an Kollegen in Ungarn übergeben worden.

Gegen die Nacht-und-Nebel-Aktion, die Berichten zufolge mit einem Hubschrauber an die österreichische Grenze erfolgte, gab es vergangene Woche in verschiedenen Städten Demonstrationen, darunter in Berlin, Leipzig, Hamburg und Jena mit jeweils mehreren hundert Teilnehmenden. Eine dort geforderte Rücküberstellung der Ausgelieferten ist nach Angaben eines ihrer Anwälte rechtlich nicht möglich. Ein »Spiegelverfahren« des LKA Sachsen gegen Maja T. muss indes eingestellt werden.

Auch die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen hat in einer Stellungnahme gegen die Auslieferung von T. protestiert. »Tricksereien zur Verhinderung der Anrufung von (Verfassungs-)Gerichten kennt man eigentlich aus Staaten, die gemeinhin nicht als Rechtsstaaten angesehen werden«, heißt es darin. Ähnlich lautende Stellungnahmen kamen vom Kölner Grundrechtekomitee und von der Solidaritätsorganisation Rote Hilfe.

Am Montag schloss sich die Bundesrechtsanwaltskammer der Kritik an. »Obwohl das Bundesverfassungsgericht in kürzester Zeit die Auslieferung [von Maja T.] untersagte, eine Entscheidung in der Sache vorab angekündigt war und über die Entscheidung selbst unverzüglich informiert wurde, hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferung vorab und ohne Abwarten auf die Entscheidung durchgeführt«, heißt es in einem offenen Brief an die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers und die Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU).

Derzeit haben die ungarischen Behörden im Zusammenhang mit dem »Tag der Ehre« europäische und internationale Haftbefehle gegen 14 weitere Personen aus verschiedenen Ländern erlassen. Einige der Gesuchten mit deutscher Staatsangehörigkeit haben über ihre Anwälte erklärt, sich zu stellen, sofern ihr Verfahren rechtsstaatlich und in Deutschland durchgeführt wird.

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