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Krieg in Gaza: Hinrichtungen von Zivilisten, willkürliche Gewalt

Zeugenaussagen israelischer Soldaten enthüllen gravierende Menschenrechtsverletzungen in Gaza

Viele Zerstörungen im Gazastreifen erfolgen auch aus purer Lust, berichtet das Magazin »+972«. Vorher plündern israelische Soldaten die Häuser »wie einen Souvenirladen«.
Viele Zerstörungen im Gazastreifen erfolgen auch aus purer Lust, berichtet das Magazin »+972«. Vorher plündern israelische Soldaten die Häuser »wie einen Souvenirladen«.

In einem neuen Bericht beschreibt der Journalist Oren Ziv im Magazin »+972« abermals schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch israelische Soldaten im Gazastreifen. So seien Schießbefehle gegen Zivilisten gelockert und diese »standrechtlich« erschossen worden. Auch Häuser seien systematisch und »aus Langeweile« von den Besatzungstruppen zerstört worden. Israelische Soldaten hätten mitunter auch nur mit Panzern, Mörsern oder Artillerie geschossen, um ihre Präsenz zu demonstrieren.

Die am Montag veröffentlichten Enthüllungen von »+972« basieren auf Aussagen mehrerer Soldaten, die von der israelischen Menschenrechtsorganisation Breaking the Silence gesammelt wurden. Das in Israel erscheinende Magazin will mit dem Bericht darüber die dringende Notwendigkeit internationaler Intervention und einer umfassenden Überprüfung der militärischen Praktiken deutlich machen.

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Als Quellen dienen auch Videos, die von dem in Katar ansässigen Sender Al Jazeera veröffentlicht wurden. Sie zeigen die Erschießung Unbewaffneter durch israelische Soldaten. Sechs israelische Soldaten hätten »+972« bestätigt, dass sie praktisch ohne Einschränkungen auf Palästinenser schießen dürfen. Zivile Opfer würden als »Terroristen« gezählt, um die Statistiken zu verbessern. Einer der Zeugen belegt dies mit mitgehörten Funksprüchen, wonach Soldaten eine palästinensische Familie erschossen. »Zuerst hieß es ›vier Personen‹. Daraus wurden dann zwei Kinder und zwei Erwachsene, und am Ende waren es ein Mann, eine Frau und zwei Kinder.«

Viele Soldaten behandelten die Häuser laut dem Bericht »wie einen Souvenirladen« und plünderten alles, was die Bewohner nicht mitnehmen konnten. Beträchtlich viele bewohnte Häuser würden systematisch niedergebrannt. Dies habe zu großflächigen Zerstörungen und Obdachlosigkeit unter der palästinensischen Bevölkerung geführt.

Zerstörungen erfolgten aber auch aus purer Lust: Einer der Zeugen beschreibt dazu einen Vorfall während des jüdischen Chanukka-Festes im Dezember, wonach »das ganze Bataillon zusammen das Feuer eröffnete, wie ein Feuerwerk, einschließlich Leuchtspurmunition. Es gab eine verrückte Farbe, die den Himmel erleuchtete, und da Chanukka das ›Fest der Lichter‹ ist, war das ein Symbol dafür.«

Die Soldaten berichteten zudem von zahlreichen zivilen Opfern, darunter auch Kinder, die in sogenannten No-go-Zonen getötet werden. Diese Zonen sind oft nicht klar gekennzeichnet, sodass Zivilisten darin unwissentlich in Gefahr geraten können. Leichen oder Körper von Schwerverletzten blieben häufig unbeachtet liegen und würden von streunenden Tieren gefressen, schreibt Oren Ziv. Vor der Ankunft internationaler Hilfskonvois würden Tote und mitunter auch Lebende mithilfe von Bulldozern verscharrt, um den Eindruck einer humanitären Krise zu vermeiden.

Der Bericht schildert auch die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der palästinensischen Bevölkerung. In militärischen Einsatzzentralen tönten demnach »Jubelschreie«, wenn Drohnen Aufnahmen der Zerstörung von Gebäuden übertragen. Einige Soldaten hätten aber auch moralische Bedenken bezüglich der Entmenschlichung von Palästinensern geäußert, insbesondere wegen der wahllosen Tötung von Zivilisten und der Zerstörung von Wohnhäusern.

»+972« zitiert in dem Bericht auch die israelische Organisation Yesh Din, die in den Einsätzen Kriegsverbrechen sieht. Dass es keine angemessene Untersuchung dieser Vorfälle durch israelische Behörden gegeben habe, verweise auf eine systematische Straffreiheit. Die weitgehende Freiheit beim Einsatz von Schusswaffen in der israelischen Armee geht laut »+972« auf Schussregeln zurück, die seit den 80er Jahren nicht offengelegt würden. Diese Richtlinien seien derart lax, dass sie auch zu mindestens 28 durch »Friendly Fire« getöteten Soldaten geführt hätten.

Seit Beginn des Gaza-Krieges veröffentlicht das Magazin »+972« kontinuierlich kritische Berichte über die israelische Besatzungspolitik und Menschenrechtsverletzungen. Oren Ziv schrieb dazu unter anderem über die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Israel. Der Filmemacher und Autor Yuval Abraham hat in dem Magazin eine Recherche zu einem automatischen System für die Zielauswahl im Gaza-Krieg publiziert. Abraham berichtete außerdem, dass der frühere Mossad-Direktor Yossi Cohen persönlich in einen geheimen Plan verwickelt gewesen sein soll, die damalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs unter Druck zu setzen, um Ermittlungen zu Kriegsverbrechen gegenüber Palästinensern zu verhindern.

Auch ein aktueller Bericht in der israelischen Zeitung »Haaretz« legt nahe, dass das Militär am 7. Oktober und im anschließenden Gaza-Krieg Menschenrechtsverletzungen beging und sogar vorsätzlich eigene Staatsangehörige tötete. So hätten israelische Soldaten am späten Vormittag des 7. Oktober den Auftrag erhalten, nach dem Angriff der Hamas auf Fahrzeuge und Stellungen zu schießen, in denen sich sowohl israelische Zivilisten als auch Soldaten befanden. Diese Anweisung folgt der sogenannten »Hannibal-Direktive«, wonach Geiselnahmen um jeden Preis verhindert werden müssen – auch wenn dies auf Kosten des Lebens eigener Staatsbürger geht.

Wie viele Zivilisten oder Soldaten aufgrund des Befehls verletzt oder getötet wurden, bleibt in dem »Haaretz«-Bericht offen. Dass die »Hannibal-Direktive« großflächig angewendet wurde, hatten zuvor bereits andere israelische Zeitungen beschrieben. Demnach seien Kibbuzim und Fahrzeuge auf dem Weg in den Gazastreifen von israelischen Panzern beschossen und Berichten zufolge auch Geiseln getötet worden.

Anmerkung: Im Teaser des Beitrags wurden die menschenverachtenden Einsätze von Militärs als »Herrenmenschenmentalität« bezeichnet. Da der eigentlich auf Kolonialismus gemünzte Begriff »Herrenmenschen« auch im NS-Vokabular Eingang fand, haben wir eine andere Formulierung gewählt.

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