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Straßburg – Durchmarsch für Metsola
In Straßburg konstituierte sich das neue Europaparlament. An dessen Spitze wurde die bisherige Präsidentin wiedergewählt
Die neue Präsidentin des Europaparlaments ist auch die alte: Am Dienstag wählten die Abgeordneten des neuen Europaparlaments die 45-jährige Malteserin mit 562 von 699 abgegebenen Stimmen für weitere zweieinhalb Jahre in das Amt. Nötig gewesen wären 312 Ja-Stimmen – die absolute Mehrheit.
Die Christdemokratin ist bereits seit April 2013 Mitglied des Europäischen Parlaments und war seit November 2020 Erste Vizepräsidentin. Nach dem Tod ihres Vorgängers David Sassoli wurde sie im Januar 2022 an die Parlamentsspitze gewählt – als erst dritte Frau in der 45-jährigen Geschichte des Europaparlaments.
In ihrer Ansprache nach der Wahl bedankte sich Metsola artig mit den bekannten Allgemeinplätzen, die EU-Politiker*innen bei solchen Anlässen gern wiedergeben. »Ich werde jeden Tag daran arbeiten, die in mich gesetzten Erwartungen zu erfüllen«, versicherte sie dem Plenum. Und: Der »Glaube an Europa« müsse zurückerobert werden und alle Menschen sollten die »gleichen Chancen auf Entfaltung« haben. Ob damit auch jene gemeint sind, die an die Festung Europa klopfen, darf bezweifelt werden. Denn gerade beim Thema Migration oder auch beim Abtreibungsrecht vertritt Metsola klassisch konservative Ansichten vertritt. Aber selbstverständlich spielten solche kritischen Punkte in ihrer Dankesrede keine Rolle.
Trotzdem genießt Metsola, wie auch das Stimmergebnis zeigte, im Europaparlament für ihre Tätigkeit als Präsidentin des Hauses großen Respekt – bis hinein in die Linke. Sie habe versucht, »inklusiv« im Parlament zu wirken, erklärte Manon Aubry, Ko-Vorsitzende der Linksfraktion, am Dienstagmorgen vor der Presse. Aber natürlich gebe es im Europaparlament »eine lebendige Linke«, die immer wieder solche Fragen wie Armut und soziale Ausgrenzung, den Rückbau beim Klimaschutz, die Lage prekär Beschäftigter oder die noch weit verbreitete Benachteiligung von Frauen und Mädchen anspreche und ihre Positionen in Richtlinien einbringe. Nahezu folgerichtig schlug die Linksfraktion Irene Montero als Präsidentin vor. Die Abgeordnete der linken Podemos-Partei war unter anderem Ministerin für Gleichstellung in Spanien und hat dort beispielsweise das Abtreibungsrecht entschärft. Auf Montero entfielen immerhin 61 Stimmen – 15 mehr, als die Linksfraktion Mitglieder hat.
Insgesamt 720 Mandate sind bei der Europawahl, die in den EU-Mitgliedsstaaten zwischen dem 6. und 9. Juni stattfand, vergeben worden. Mit 96 Mandaten ist Deutschland entsprechend eines Bevölkerungsschlüssels das Land mit den meisten Abgeordneten. Während Sozialdemokraten, Grüne und Die Linke eingebrochen sind – letztere von 5,5 auf 2,7 Prozent, was nur noch drei statt fünf Abgeordnete bedeutet – konnte die Rechte zulegen. Die AfD zog mit 14 Mandaten nach Brüssel.
Partner für eine Fraktion konnte die deutschen Rechtsausleger allerdings erst in in letzter Minute finden. Frankreichs Le-Pen-Partei Rassemblement National wollte Abstand zur AfD halten – wohl aus Sorge, die Schmuddelkinder könnten das sorgsam inszenierte Bild von Marine Le Pen als wählbare Rechtsextremistisch beschmutzen. So hat sich est am vergangenen Mittwoch die Fraktion »Europa der Souveränen Nationen« gegründet, in der sich neben der AfD auch Rechtsextremisten aus Polen, Bulgarien, Tschechien, Litauen, Ungarn, der Slowakei und Frankreich tummeln. Die Kriterien für eine Fraktion (mindestens 23 Mitglieder aus sieben Ländern) sind damit erfüllt.
Ihren gewachsenen Einfluss im Parlament können die drei Rechtsfraktionen – Souveränisten, »Patrioten für Europa« und Konservative & Reformer – für die Mitsprache bei europäischen Gesetzen und eine Verschiebung des politischen Diskurses nach rechtsaußen nutzen. Einen Vorgeschmack dafür boten sie schon mal am Dienstag zum Auftakt der Plenarsitzung: Als Beethovens 9. Sinfonie, die zugleich Europahymne ist, angespielt wurde, blieben zahlreiche Abgeordnete sitzen und drückten so ihre Haltung zur europäischen Integration aus.
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