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»Trostfrauen«: Aris Abschiebung verhindern
Die Friedensstatue soll fallen – Nachbarschaft, Korea-Verband und Bezirkspolitiker aus Mitte versuchen, das Denkmal zu retten
Nicht Trost spendeten sie, sondern ihren Körper als Sexsklaven. »Trostfrauen« werden 200 000 Mädchen und junge Frauen aus japanischen Kolonien genannt, die während des Zweiten Weltkriegs in Kriegsbordellen zur Prostitution verschleppt wurden. »Ari« heißt ihr in Bronze gegossenes Denkmal in Moabit an der Ecke Birkenstraße und Bremer Straße: Es zeigt ein Mädchen in traditioneller koreanischer Kleidung auf einem Stuhl neben einem leeren Stuhl.
Seit 2020 sitzt Ari in Moabit. Der Bezirk Mitte ermöglichte über eine Straßensondernutzung dem Korea-Verband, die Statue aufzustellen. »Es stand also von Anfang an fest, dass die ›Friedensstatue‹ nicht dauerhaft im Bezirk aufgestellt werden kann, da dies einen Wettbewerb zur künstlerischen Umsetzung des Themas im öffentlichen Raum zwingend voraussetzen würde«, sagt die Pressestelle des Bezirksamts zu »nd«. Die Duldung für Ari läuft am 28. September aus. Das Rechtsamt hat laut Bezirk die bereits erfolgte Duldung rückwirkend für rechtswidrig erklärt und einen Erhalt der Statue explizit ausgeschlossen.
»Feige« nennt die Vorstandsvorsitzende des Korea-Verbands Nataly Jung-Hwa Han es, dass das Bezirksamt die Duldung nachträglich für rechtswidrig erklärt. Im Gespräch mit »nd« sagt sie, dass, seit die CDU regiere, eine Wende in der Politik stattfinde, die sich auch in der Frage um die Friedensstatue widerspiegele: Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) versuche die diplomatischen Beziehungen mit seiner Partnerstadt Tokio zu stärken. Nach seinem jüngsten Besuch in der japanischen Hauptstadt kündigte Wegner an, die Friedensstatue ersetzen und stattdessen allgemein an Gewalt gegen Frauen im Krieg erinnern zu wollen.
Han begrüßt ein allgemeines Denkmal. Allerdings gebe die Friedensstatue symbolisch durch den leeren Stuhl vielen Opfergruppen sexualisierter Gewalt Raum. In der Bildungsarbeit sei dies spürbar: »Es gibt große Identifikationsmöglichkeiten, wenn da eine robuste Statue zum Anfassen ist und ein Stuhl, auf den sich die Jugendlichen setzen können.« Die Abrisspläne sieht Han im Kontext des Drucks durch die japanische Regierung, deren Premierminister Fumio Kishida seit Freitag Deutschland besucht. Bereits 2022 habe Kishida laut japanischen und koreanischen Medienberichten gebeten, die Friedensstatue abzureißen. Laut der »Taz« soll Scholz gesagt haben, dass dies nicht Angelegenheit der Bundesregierung, sondern des Bezirksamts Mitte sei, berichtet Han. Außerdem mische sich Japan auch in die Bildungsarbeit des Korea-Verbands ein. Eine Berliner Schule und die Landeszentrale für politische Bildung sollen unter Druck gesetzt worden sein, Projekte mit dem Korea-Verband abzusagen, so Han.
Der Korea-Verband sei nun im Austausch mit der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), insbesondere mit Politiker*innen der Linken-, Grünen und SPD-Fraktion. Diese stellten am 10. Juli einen Antrag im Kulturausschuss der BVV Mitte, um Ari rechtssicher und dauerhaft zu genehmigen. Außerdem fordern sie den Bezirk auf, sich gegenüber Land und Bund für die Schaffung eines dauerhaften Mahnmals gegen sexualisierte Gewalt einzusetzen, wie aus einer Pressemitteilung der Linksfraktion in der BVV Mitte hervorgeht. Über den Antrag soll noch vor Ende der Duldung der Friedensstatue im September in der BVV abgestimmt werden.
Parallel läuft noch ein weiterer Antrag aus der Nachbarschaft des Bezirks zum Erhalt der Statue. 1000 Unterschriften sammeln Aktive mit Unterstützung der Linken in Mitte, um ihn in die BVV zu bringen. Zusätzlich unterschrieben auf der Petitionsplattform change.org unter dem Motto »Save Ari!« seit dem 7. Juni bereits fast 37 000 Menschen.
Han sieht die Friedensstatue als Pionierarbeit im Erinnerungskampf gegen die Kriegswaffe sexualisierte Gewalt, da Betroffene diese selbst errichteten: »Seit dem 8. Januar 1991 demonstrierten jeden Mittwoch die Erinnerung an die Trostfrauen.« Und sie demonstrieren immer noch. Mit der japanischen Community arbeitet man laut Han seit dem Angriff auf die Friedensstatue enger zusammen. Zu den Unterstützenden der Trostfrauenstatue zählen nicht nur zahlreiche feministische und antikoloniale Initiativen, sondern auch die Omas gegen rechts und der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall.
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