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Ohne Bühne ist mir schlecht
Ein gelungenes Doppelkonzert von Linda Finny und Nebel 3000 in Berlin
Vergangenen Freitag fand auf der kleinen Freilichtbühne Weißensee in Berlin ein besonderes Konzert statt. Das Programm des Abends bestand aus der Berliner Newcomerin Linda Finny (20 Jahre alt) und Nebel 3000, dem relativ jungen No-Wave-Bandprojekt von Brezel Göring (ein paar Jahrzehnte älter). Beide haben erste Platten veröffentlicht. Linda Finny Mitte des Monats ihre Single »Save Your Drama«, Nebel 3000 Ende Juni das Album »Frankenstein Freakout«. Es übertrifft, was hyper-weirde Coolness und ultralaute Akwardness angeht, wahrscheinlich alles, wo Brezel Göring, zuvor so mitgemacht hat.
Bei diesem Trio stammen zwei Drittel der Band aus Rom: die Gitarristin, Manuela Marugj (aka Lady Maru) und der Schlagzeuger Bernardo Santarelli (aka Noisy Pig) organisierten in den Nullerjahren in Italien einige Konzerte für Stereo Total. Dieses Chanson-Punk-Duo bestand aus Göring und seiner Lebensgefährtin, der 2021 verstorbenen Françoise Cactus. Kurz nach ihrem Tod brachte Göring 2022 sein erstes Soloalbum mit dem Titel »Psychoanalyse Vol.2« heraus. Ein ganz schön bewegendes Dunkelglanzstück, wenn man mich fragt. Verglichen damit erscheint der Sound von Nebel 3000 wie aus einem anderen CD-Regal. Es ist antiklassischer No-Wave-Punk. Stücke wie »Playmobile Metalhead« oder »Dunkle Materie« erinnern ein wenig an den destruktiven Arpeggio Synth-Sound von DAF oder Suicide, auch wenn das Nebel-Trio solche Vergleiche gerne meidet.
Ihre Texte liegen live wie ein dadaistisches Sprachgitter auf der tosenden Musik. Zeilen wie »Krankenhaus - Ich geh rein und du kommst raus« oder »Depression - ohne fühle ich mich schlecht« brachten mich und mindestens zwanzig andere Fans zum Mitschreien. Zum schnellen Schlagzeug von Noisy Pig spielte Lady Maru ihre Gitarre gekonnt wie eine kreischende Hardcore-Harfe, manchmal sogar mit geschlossenen Augen. Göring setzte mit offenen Augen melodischere Synth-Akzente in den Krach. Man beachte dabei sein Outfit: An den Keyboards trug er eine blaue Pixie-Cut-Perücke zu einer roten Lederhose, an der das Preisschild zum Beat baumelte. Ach, wie schön.
Musikalisches Highlight des Abends war aber Linda Finny (Foto), deren Einflüsse nach eigener Aussage von Malaria! und Brian Eno bis hin zu Lana del Rey reichen. Das ist aber weniger wichtig, da sich ihr Sound schnell als etwas sehr Eigenes entpuppt: als etwas Neues. In »Save Your Drama« verbindet sie einen sarkastischen Text über theatralische Männer-Egos und toxische Beziehungsmuster mit einem herzzerschmetternden Cello, das im Laufe des Songs mit schleppenden Beats verfließt.
Zusammen mit ihrer Drummerin stellte sie noch drei weitere, bisher unveröffentlichte Songs vor, die mich umhauten. Sie war auf der Bühne so cool, dass ich mir echt wünschte, sie wäre dort kleben geblieben. Klar ist: wir müssen Linda Finny und Nebel 3000 so schnell es geht wiedersehen.
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