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Marianne Faithfull: Wie ein Glauben

Ein Leben als Ballade: Zum Tod einer großen Sängerin

The Ballad of Marianne Faithfull, aufgenommen 1975.
The Ballad of Marianne Faithfull, aufgenommen 1975.

Die Rolling Stones zu überleben, konnte schwierig sein, aber der irrste Typ in den 60ern war klar Bob Dylan, schrieb Marianne Faithfull 1995 in ihrer Autobiografie. 1969 sang sie »Sister Morphine«, das Lied hatten Jagger/Richards für sie komponiert, der Text stammte von ihr. Bis die Band das anerkannte, dauerte es Ewigkeiten. Auch wenn der Song von einem Verletzten im Krankenhaus handelte, stimmte der Titel: »Als ich 39 war, habe ich mich mal umgeschaut, und da ist mir aufgefallen, daß fast alle meine Freunde aufgehört hatten, harte Drogen zu nehmen. Nur ich war immer noch der komplette Junkie. Ich kam mir, so komisch das klingt, auf einmal sehr blöd vor«, erzählte Faithfull, als sie 60 war, der »Brigitte«.

Erst waren die Swinging Sixties, dann kamen Enttäuschung, Depression und auch vorübergehend Obdachlosigkeit. 1979 dann das große Comeback mit »The Ballad of Lucy Jordan« und einer Stimme, die einem durch Mark und Bein ging: »Sie, die schutzlos Scheinende, beschützt mit dieser Schutzlosigkeit ihr Publikum, (…) das Herz ist ohnehin gebrochen, was denn sonst, so ist das nun einmal, wie Einatmen und Ausatmen« (Wiglaf Droste). Später riefen dann auch Metallica und Nick Cave an und sie sang mit ihnen, aber auch Brecht und Weill. Es musste ihre Stimme sein, die alle hören wollten, um sich irgendwie selbst zu fühlen. Und sie drehte 2007 »Irina Palm« über eine ziemlich zufällige und späte Sexarbeiterin. Als sie das erste Mal das Wort »Hure« hört, runzelt sie auf großartig vornehme wie altmodische Weise die Stirn, sie braucht aber schnell viel Geld, denn sie will ihren todkranken Enkel retten. Schafft sie auch, sozusagen im Handumdrehen. Eine simple Idee trägt hier durch einen Mainstreamfilm, auf anrührende Weise, was man am Anfang noch stark bezweifelt.

Marianne Faithfull wirkte stets so, als müsste man nie viel über sie nachdenken. Eine Heldin über alle Zeiten. Sie schien stets über jeden Zweifel erhaben. Wie ein Glauben – an das Gute in der Popmusik. Am Donnerstag ist sie gestorben, im Alter von 78 Jahren.

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