Aufatmen bei der Linken

Das Karlsruher Urteil kann der Partei den Wiedereinzug in den Bundestag retten – sofern sie noch einmal drei Direktmandate gewinnt

Für Gregor Gysi als Rechtsbeistand seiner Partei war das Urteil eine Bestätigung der Einwände der Linken gegen die Ampel-Reform auf ganzer Linie.
Für Gregor Gysi als Rechtsbeistand seiner Partei war das Urteil eine Bestätigung der Einwände der Linken gegen die Ampel-Reform auf ganzer Linie.

Die Erleichterung war den Vertretern der Linken, die bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe anwesend waren, anzusehen. Als juristischer Vertreter war der frühere Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi vor Ort, für den Parteivorstand Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert und für die Linke-Gruppe im Bundestag ihr Ko-Chef Sören Pellmann.

Schubert zeigte sich nach der Urteilsverkündung erfreut, dass das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde ihrer Partei gegen die Wahlrechtsreform aus dem vergangenen Jahr »in wichtigen Punkten gefolgt« sei und »die Grundmandatsklausel weiterhin Bestand haben wird«.

Die Karlsruher Entscheidung stärke »die Vielfalt der politischen Repräsentation im Bundestag« und stelle sicher, dass »möglichst viele Stimmen berücksichtigt werden«, erklärte Schubert und fügte hinzu: »Das Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die Regierungsparteien und deren Versuch, mit der Reform politische Konkurrenz im Bundestag auszuschalten.«

Das Gericht, so Schubert, habe zudem »ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber die Sperrklausel senken kann«. Das begrüße Die Linke. Die Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde sei der »beste Weg sicherzustellen, dass keine Stimmen verloren gehen und sich möglichst viele Wählerinnen und Wähler in unserem politischen System vertreten fühlen«.

Die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch, die bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin eines von drei Direktmandaten für Die Linke gewonnen hatte, sagte am Dienstag in der ARD, die von der Ampel-Koalition geplante Streichung der Grundmandatsklausel sei eine »undemokratische« Entscheidung gewesen, »die das Bundesverfassungsgericht zu Recht korrigiert« habe.

Die anderen beiden Direktmandate, die der Linken 2021 den Wiedereinzug in den Bundestag trotz des knappen Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde sicherten, hatten Gregor Gysi und Sören Pellmann. Ob es der Partei gelingt, erneut drei Kandidaten aufzustellen, die in ihren Wahlkreisen die meisten Stimmen erhalten, ist derzeit völlig offen. Denn Lötzsch, die fünfmal ihr Direktmandat verteidigt hatte, tritt zur nächsten Bundestagswahl nicht mehr an. Dies hatte sie, verbunden mit harscher Kritik am Parteivorstand, Mitte Juni bekanntgegeben.

Gregor Gysi, mittlerweile 76 Jahre alt, hat sich noch nicht entschieden. In Karlsruhe sagte der Politiker, der derzeit außenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag ist, sagte nach der Urteilsverkündung: »Wenn Sie von mir wissen wollen, ob ich heute kandidiere, sage ich Ihnen: Ich fahre jetzt in den Urlaub und werde mir dabei Gedanken machen, und dazu werde ich mich jetzt nicht äußern.«

Durch das Urteil sieht Gysi seine Partei im »Aufwind«. In Umfragen kommt sie derzeit lediglich auf drei bis vier Prozent Zustimmung. Die im Oktober von der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht gegründete neue Partei BSW, in die insgesamt zehn Bundestagsabgeordnete der Linken gewechselt waren, steht in Umfragen derzeit weit besser da als Die Linke. Acht bis neun Prozent der Befragten geben an, sie wählen zu wollen.

Gysi hält nach der Karlsruher Entscheidung die rasche Verabschiedung eines neuen Wahlrechts für die Bundestagswahl 2025 für denkbar. Vor der Urteilsverkündung hatte er die Erwartung geäußert, dass der Bundestag eine nachgebessserte Reform bereits im September beschließen werde. Am Dienstag sagte er, es gehe notfalls auch ohne: »Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Wenn es keine neue gesetzliche Regelung gibt, gilt die Drei-Direktmandats-Klausel.«

Im Falle einer Gesetzesreform könnte aus seiner Sicht entweder die Grundmandatsklausel erhalten oder die Fünf-Prozent-Hürde gesenkt werden, zum Beispiel auf 3,5 oder 4 Prozent, meint Gysi. »Das würde ich sogar sehr begrüßen, weil dann mehr demokratische Parteien in den Bundestag einziehen könnten«, fügte er hinzu. Der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, hatte vor Verabschiedung der Ampel-Reform vorgerechnet, dass damit neun Millionen zur Bundestagswahl 2021 abgegebene Stimmen »verloren« gewesen wären statt vier Millionen nach dem bisherigen Wahlrecht. mit dpa

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