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  • »Freiheit, Frieden, Freude«

Tausende bei Querdenker-Demo in Berlin

Bis zu 12 000 Menschen demonstrierten am Samstag in der Berliner Innenstadt – »Freiheit, Frieden, Freude« lautete ihr Motto

Der Trommler trägt ein T-Shirt mit geschwärzten Zeilen: Es könnte auf die jüngst veröffentlichten »RKI-Files« anspielen.
Der Trommler trägt ein T-Shirt mit geschwärzten Zeilen: Es könnte auf die jüngst veröffentlichten »RKI-Files« anspielen.

»Frieden, Freiheit, keine Diktatur«. Die Parole war bei den Querdenker-Demonstrationen 2021 und 2022 häufig zu hören. Am Samstagnachmittag wurde sie erneut skandiert. Mehr als 10 000 Menschen aus der ganzen Republik liefen in einem großen Demonstrationszug durch den Westen Berlins vom Zoologischen Garten bis in die Nähe des Großen Sterns. Ihr Motto: »Freiheit, Frieden, Freude«. Zwei zentrale Themen waren auf zahlreichen Transparenten und Schildern zu lesen: die Aufarbeitung der Corona-Zeit sowie Kriegspolitik.

Wie bei den Querdenker-Aktionen in der Pandemiezeit machte auch der Aufzug am Samstag an vielen Stellen den Eindruck eines Friedensmarsches mit esoterischem Einschlag. Das zeigte sich zum Beispiel an einem Infostand, der Meditation anbot, sowie an Hare-Krishna-Gesängen, die auf der Demonstration zu hören waren.

An einer Stelle wurde die Hymne der Schwarzen US-Bürgerrechtsbewegung, »We shall Overcome«, angestimmt. Der Einsänger entschuldigte sich bei seinen Zuhörer*innen, da er eigentlich auch gegen das Verwenden der englischen Sprache in Deutschland sei, aber bei diesem Song eine Ausnahme machen müsse. Die Demonstrant*innen im Umkreis sangen nur verhalten mit. Das lag vielleicht daran, dass es sich um einen Block handelte, in dem mehrere Deutschlandfahnen zu sehen waren. Dahinter lief eine ebenfalls schwarz-rot-gold geschmückte Trommlergruppe. Wenige hundert Meter weiter wurde ein großes Porträt von Gandhi auf einem Rollwagen geschoben. Der indische Unabhängigkeitskämpfer gilt weltweit als Symbol für Pazifismus.

Die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (IDK) distanzierte sich von dem vermeintlichen Pazifismus auf der Demonstration am Samstag. In einer Mitteilung heißt es: »Wer – wie Michael Ballweg – kein Problem damit hat, gemeinsame Sache zu machen mit Leuten, deren Ziele menschenverachtend (sind) und deren Methoden Gewalt einschließen, der stellt selbst seine Glaubwürdigkeit infrage. Von daher drängt sich der Eindruck auf, dass Ballwegs lautstark hinausposauntes Bekenntnis zur Kriegsdienstverweigerung wenig mehr ist als ein PR-Manöver mit dem Ziel, die berechtigte Kriegsangst vieler Menschen vor seinen Karren zu spannen«, schreiben sie.

Michael Ballweg gilt als Mitbegründer der Querdenker-Bewegung und wurde am Samstag auf der großen Bühne bejubelt. Nach einer mehrmonatigen Untersuchungshaft wegen angeblicher Unterschlagung von Spenden scheint er bei seinen Fans noch an Ansehen gewonnen zu haben. Eine weitere Ikone der Querdenker-Bewegung, Sucharit Bhakdi, wurde zu Ballwegs Rede zugeschaltet und rief dazu auf, Ärzt*innen anzuzeigen, die Impfungen vornehmen.

»Es drängt sich der Eindruck auf, dass Ballwegs lautstark hinausposauntes Bekenntnis zur Kriegsdienstverweigerung wenig mehr ist als ein PR-Manöver mit dem Ziel, die berechtigte Kriegsangst vieler Menschen vor seinen Karren zu spannen.«

Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (IDK)

Es marschierten viele Mitglieder verschiedener rechter Gruppen aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen mit, oft hatten sie Trommeln dabei und informierten auf Transparenten über ihre Heimatorte. Die Stände auf dem Platz der Abschlusskundgebung machten dann sehr deutlich, welches politische Spektrum hier für sich warb. Gleich hinter dem Eingang befand sich ein großer Stand der AfD. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Steffen Janich informierte an einem Stehtisch über seine Partei. Die neonazistische Gruppe »Deutscher Aufbruch« war mit einem eigenen Stand vertreten, auf dem Schriften auslagen, die das NS-Regime verteidigten. Der langjährige Nazikader Steffen Hupka warb dort für »deutsche unabhängige Siedlungen«.

Des Weiteren warb das »Zentrum – die alternative Gewerkschaft« auf der Demonstration. Als »Zentrum Automobil« stand sie laut der »Zeit« bis Juni 2022 wegen ihrer Wurzeln in extrem rechten Kreisen auf einer Unvereinbarkeitsliste der AfD, was die gute Kooperation aber nicht tangierte. Neben der AfD hatte auch die Kleinstpartei Die Basis einen großen Stand auf dem Platz der Abschlusskundgebung. Die Partei war auch auf der Demonstration gut sichtbar vertreten.

Überraschend war der Auftritt von Christiane Reymann, die lange in der Linkspartei war. Sie rief zur Beteiligung an der für den 3. Oktober in Berlin geplanten bundesweiten Friedensdemonstration auf. Damit stößt sie sicher nicht bei allen Organisator*innen auf Zustimmung. Ihr Auftritt dürfte eine neue Debatte über die Rechtsoffenheit von Teilen der Friedensbewegung auslösen.

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